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heute in bremen„Auch ein empfindsamer Literat“

Friedrich A. Bahmer, 71, ist Dermatologe und war bis 2010 Chefarzt des Hautklinikums Bremen-Mitte. Er ist Experte zum Thema „Haut und Haar in der Literatur“.

Interview Teresa Wolny

taz: Herr Bahmer, inwiefern hat Bukowskis starke Akne sein Werk beeinflusst?

Friedrich Bahmer: Bukowski hatte tatsächlich eine schwere Kindheit mit einem gewalttätigen Vater. Das steht sicher auch in Wechselbeziehung mit seiner Akne. Irgendwann drehte er den Spieß um, schlug seinen Vater k.o. und löste sich von seinem Elternhaus. Hemingway sagte einmal, dass man nur dann ein guter Schriftsteller werde, wenn man eine schwere Kindheit gehabt habe. Das würde ich so nicht unterstreichen, aber im Falle von Bukowski war da sicher etwas dran.

Wie ist er damit umgegangen?

Bukowski war sehr eigenbrötlerisch und individualistisch. Obwohl er vom Alter her zur Beatgeneration gehörte, hatte er zu deren Vertretern kaum Kontakt. Auch die Hippiebewegung war ihm suspekt, er machte sich darüber lustig und war auch nie in einer Partei oder in der Armee. Er hat jedoch viel und offen über seine Krankheiten geschrieben, da er ja nicht nur Akne hatte, sondern auch Hämorrhoiden, Flöhe, Filzläuse und eine Magenblutung, an der er fast gestorben wäre. Gestorben ist er dann an einer Leukämie. Bukowski ist nicht nur aus medizinischer Sicht interessant, sondern auch bezüglich seiner Einstellungen zum Leben, zum Sterben und zum Tod.

Lag das an seinem Lebensstil?

Es stimmt, dass Bukowski immer viele Frauen hatte, viel trank und oft in billigen Absteigen gehaust hat. Trotzdem sollte man sich ihn nicht völlig verwahrlost als Schmuddel-Poet mit Sexgeschichten vorstellen. In meinem Vortrag versuche ich, ihn von diesem Klischee abzugrenzen und zu zeigen, dass er ein empfindsamer Literat war, der seine Krankheiten und die damit einhergehenden Gefühle sehr gut darstellen konnte. Bukowski wurde in den 1970er Jahren vor allem von Studenten sehr geschätzt; er hat ja auch sehr amüsant formuliert.

Wie hat sein Alkoholkonsum seine Leiden beeinflusst?

Vortrag „Charles Bukowski mit Haut und Haar“, 18 Uhr, Zentralbibliothek

Der Magendurchbruch geht sicher auf Kosten des Alkohols. Bukowski wurde aber trotzdem 73 Jahre alt, im Hinblick auf seinen Lebenswandel hat er eigentlich relativ lange durchgehalten.

War Bukowski mit der offenen Thematisierung seiner Krankheiten eine Ausnahme?

Im Werk von Thomas Bernhard spielen dessen Akne und die schwere Lungentuberkulose eine große Rolle. Hemingway hatte große psychische Probleme, Updike dagegen zeitlebens eine schwere Schuppenflechte.

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