heute in bremen : „Brutale Transformationsprozesse“
Heute kümmert sich das wiedereröffnete Bonboncafé um Flüchtlinge in der Ukraine
taz: Herr Bernau, heute wird das Bonboncafé wieder eröffnet, „nach einem Jahr der Abstinenz, des In-Sich-Gangs, der Faulheit, der grüblerischen Vorwärtsbewegung“, wie Ihr vermeldet habt. Warum habt Ihr pausiert?
Olaf Bernau, Mitinitiator: Aus den genannten Gründen, andererseits waren viele auch in G 8-Sachen aktiv, da blieb wenig Zeit.
Zur Wiedereröffnung blickt Ihr nach Osteuropa, hinter die EU-Außengrenze. Was wollt Ihr zeigen?
Ein Schwerpunkt ist die Transitmigration. Die Ukraine ist zum Hotspot der Migrationsbewegung geworden. Über deren Ostgrenze kommen jedes Jahr Zehntausende Flüchtlinge dorthin, weil sie hoffen, in die EU zu gelangen. Trotz der dichten EU-Außengrenze kommen jedes Jahr 50.000 durch. Wir wollen über deren Situation berichten, vor allem über jene, die es nicht schaffen.
Was passiert mit ihnen?
Die, die abgefangen werden, werden sechs Monate interniert in ehemaligen Kasernen. Das geschieht unter entwürdigenden Bedingungen und massiven Menschenrechtsverletzungen. Wir werden über das berüchtigte Lager Pawschino informieren. Dort werden 500 Leute in einer ehemaligen Kaserne festgehalten. Sie müssen sich draußen aufhalten, weil nicht genug Platz ist. Das ist Teil der Abschottungspolitik der EU, zum Teil werden die Lager aus Brüssel finanziert.
Was ist nach der Haft?
Die meisten Flüchtlinge werden freigelassen, weil die Infrastruktur für die Abschiebung gar nicht vorhanden ist. Sie probieren es dann wieder, über die streng bewachte ukrainische Westgrenze in die EU zu kommen. Es heißt, beim dritten Versuch schaffe es jeder. Wir werden auch zeigen, wie diese Menschen in der EU leben und welche Folgen die EU-Erweiterung für Osteuropa allgemein hatte. Es ist ja immer von der glorreichen Zukunft durch die EU-Mitgliedschaft die Rede. Wir hinterfragen das und zeigen, wie brutal die Transformationsprozesse dort sind. Fragen: Fez
19.30 Uhr, Bonboncafé, Hardenbergstraße 50a