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heute in Bremen„Gegenwart konservieren“

Lesung Zukunfstlobbyist Wolfgang Gründinger diskutiert über sein Buch „Alte Säcke Politik“

Foto: D. Ausserhofer
Wolfgang Gründinger

Jahrgang 1984, ist Politikwissenschaftler, Zukunftslobbyist und Autor von „Alte Säcke Politik. Wie wir unsere Zukunft verspielen“. Er ist Mitglied im „Club of Rome“.

taz: Herr Gründinger, sind Sie ein alter Sack?

Wolfgang Gründinger: Ich nähere mich dem wahrscheinlich mit schnellen Schritten.

Wen meinen Sie denn eigentlich mit „Alter Sack“?

Das ist eine Umschreibung dafür, nichts ändern zu wollen. In Deutschland baut man Zäune um den Schrebergarten und die Zukunft wird verspielt.

Haben Sie mal ein konkretes Beispiel?

Ja, viele: Dass etwa längst vergangene Stadtschlösser wieder aufgebaut werden statt Jugendzentren. Dass Kinder in der Schule Latein und Altgriechisch lernen, es aber keine Glasfasernetze gibt. Dass ein zig Millionen schweres Rentenpaket geschnürt wird und gleichzeitig die Kinderarmut zunimmt. Die Gegenwart wird konserviert, anstatt etwas für die Zukunft zu tun.

Ist Ihr Buch vor allem eine Analyse des Ist-Zustandes, oder liefern Sie auch Vorschläge, was Ihrer Meinung nach geschehen müsste?

Ich habe viele Vorschläge auf ganz verschiedenen Ebenen, demokratietheoretisch wäre da zum Beispiel die Einführung des Kinderwahlrechts.

Sie plädieren für ein Wahlrecht ab 0 Jahren. Wie soll das gehen?

Es gibt überhaupt keinen Grund, warum ausgerechnet unter 18-Jährige vom Wahlrecht ausgeschlossen sein sollten. Natürlich gehen Babys nicht wählen, aber gemeint ist damit: Jeder junge Mensch sollte wählen gehen, sobald er das will.

Aber haben da nicht die Kinder einen Vorteil, die durch ihr Elternhaus früh an politische Themen herangeführt werden? Die wollen vielleicht schon mit neun Jahren wählen, während andere erst mit 14 durch die Schule auf die Idee kommen.

Natürlich gibt es da eine soziale Kluft. Aber das gibt es ja nicht nur bei Jugendlichen, sondern auch bei Erwachsenen: Nehmen Sie mal an, es wollen weniger Sachsen zur Wahl gehen als Bayern. Das ist dann eben so. Das Wahlrecht ist ja ein Recht und keine Pflicht. Außerdem: Wieso dürfen Kinder und Jugendliche nicht wählen, die Alten aber schon? Da machen wir keine Ausnahme, aber warum nicht?

Das zu ändern dürfte schwierig werden: Die Demographie macht Ihnen dabei wohl einen Strich durch die Rechnung.

Das stimmt: Ein Drittel aller Wähler ist über 60, auch die meisten Parteimitglieder sind über 60. Ich glaube aber trotzdem fest daran, dass ich die Einführung des Kinderwahlrechts noch erleben werde.

Da sind Sie dann wahrscheinlich schon ein alter Sack.

Das weiß man nicht. Denn dabei handelt es sich ja um eine Umschreibung: Auch junge Leute können schon alte Säcke ein.

Interview:Karolina Meyer-Schilf

19 Uhr, Kulturzentrum Kukoon

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