heute in Bremen: „Schon sehr bedrohlich“
VORTRAG Die Bremer Ver.di-Frauen denken über „Arbeit 4.0“ und kurze Vollzeit als Lösung nach
63, ist Arbeits- und Geschlechtersoziologin i. R. und bei Attac und in der gewerkschaftlichen Frauenarbeit aktiv.
taz: Arbeit 4.0 – welche Vorteile hat das, Frau Steinrücke?
Margareta Steinrücke: Durch Digitalisierung und Automatisierung fallen vor allem die langweiligen, weil gleichförmigen Tätigkeiten weg, diese ganzen schwer öden Routinearbeiten im Industrie- und Dienstleistungssektor.
Da das für viele Menschen mit dem Verlust ihres Arbeitsplatzes verbunden ist, sind wir schon bei den Nachteilen…
Aktuelle Prognosen gehen davon aus, dass 12 bis 54 Prozent aller Arbeitsplätze bis 2030 wegfallen. Diese technologisch bedingte Arbeitslosigkeit ist schon sehr bedrohlich.
Aber sie bleiben prinzipiell Optimistin?
Ja, denn es rückt Thomas Morus' „Utopia“-Vorstellung in greifbare Nähe, mit möglichst wenig Arbeitsstunden pro Tag möglichst viel Freizeit zu erwirtschaften, in der wir uns um unsere privaten und sozialen Interessen, um unsere Kinder und Alten kümmern können. Wir müssen die verbleibende Arbeit nur gerecht verteilen.
Diesbezüglich scheitert aber schon jetzt die Politik am Egoismus der Unternehmen.
Ja, die stecken die Digitalisierungsdividende, also den durch immer produktivere Arbeit entstehenden zusätzlichen Reichtum, lieber selbst als Gewinne ein anstatt in kürzere Arbeitszeiten der Beschäftigten zu investieren.
Wie ist das zu verhindern?
Durch Fortsetzung und Wiederbelebung gewerkschaftlicher Kampfestugenden. Wir haben auch mal 13 Wochen für die 35-Stunden-Woche gestreikt, nun müssen wir uns radikal für die 30-Stunden-Vollzeitwoche einsetzen. Dafür benötigen wir ein breites gesellschaftliches Bündnis.
Und eine Gewerkschaft, die auch offen ist für die neuen Arbeitsweisen, die ja verstärkt freiberufliche Tätigkeiten sein werden, Stichwort: digitale Nomaden?
Gerade im Engagement für Freelancer müssen die Gewerkschaften in die Hufe kommen.
Gibt es positive Ansätze zu Arbeit 4.0 in Bremen?
Ja, bei Daimler, die haben seit Dezember 2016 eine bahnbrechend neue Regelung zur Betriebsarbeitszeit. Jeder hat dort das Recht, Teile seines Jobs, sofern möglich, mobil zu erledigen. Darf also alle extern absolvierten Arbeitszeiten in einen Stundenzettel eintragen, egal ob es sich um Tätigkeiten handelt, die er abends noch am PC erledigt, im Kopf während der Heimfahrt durchführt oder mit dem Bleistift am Frühstückstisch. Interview Jens Fischer
18 Uhr, DGB-Haus
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