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heute in Bremen„Kollektive Aktivitäten“

VORTRAG In der Spedition wird darüber diskutiert, was es bedeutet, sich „Freiräume“ zu erkämpfen

Christiane Wehr

51, forscht an der FH Kiel zu Jugendkulturen im Punk und Hardcore. Ihre theoretische Dissertation „Freiräume frei räumen“ an der HFBK Hamburg erschien 2016 als Buch im Sprung Verlag.

taz: Frau Wehr, was bedeutet es, einen Freiraum zu schaffen?

Christiane Wehr: Es heißt, für sich selbst und auch für andere mehr Möglichkeiten zu schaffen, als schon da sind – in einem emanzipatorischen Sinne.

In linken Diskursen wird der „Freiraum“ häufig im Zusammenhang mit autonomen Zentren gebraucht.

Tatsächlich finden Freiräume im Rahmen von linksautonomen Bewegungen eine Aufmerksamkeit, aber ich beschäftige mich auch mit anderen Freiräumen, etwa in der Kunst, die viele Möglichkeiten bietet, Dinge anders zu denken oder zu benennen. Aber der Begriff wird inflationär gebraucht.

Etwa, wenn man sagt, dass man gerade mal seinen „Freiraum“ benötigt?

Man macht sich wenig Gedanken darüber, was das sein soll. Selbst im Rahmen autonomer Bewegungen wird das oft als individuelle Nische verstanden. Dabei wird der Begriff politisch entkräftet.

Warum?

Weil es nicht mehr um kollektive Aktivitäten geht, sondern um den Rückzug ins Private.

Kann es überhaupt Räume geben, die frei sind von gesellschaftlichen Einflüssen?

Nein. Die gesellschaftlichen Verhältnisse kommen überall zum Tragen. Auch in linken „Freiräumen“ gibt es Ausschlüsse, die denen der Mehrheitsgesellschaft ähnlich sind.

Zum Beispiel?

Es gibt privilegierte weiße Räume, Rassismen oder Sexismen. Aber: Meist wird sich auch bemüht, das zu verhindern. Ich suche diese linken Räume gern auf.

Was mögen Sie daran?

Ich mag den Umgang miteinander, den Austausch, es ist eine Sprache, eine Symbolik, die ich verstehe und teile.

Wie ein subkulturelles Vereinsheim?

Sie können es so nennen.

Wo aber bleibt da die Freiheit?

In den Möglichkeiten, aus dem Rahmen normativer Vorgaben auszubrechen. In queeren Räumen kann es zum Beispiel eine Veruneindeutigung von Geschlechts-Identitäten geben.

Interview:Jpb

20 Uhr, Spedition am Güterbahnhof, Beim Handelsmuseum

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