heute in BremeRHAVEN: „Roma an letzter Stelle“
WORKSHOP Die Falken und der Sinti-Verein in Bremerhaven erklären, was Antiziganismus ist
41, Geschäftsführer des Bremerhavener Sinti-Vereins, der 2015 sein 30-jähriges Bestehen feierte.
taz: Herr Balke, was hören Sie, wenn Sie in Ihren Workshops fragen, was die Leute über Sinti und Roma wissen?
Dardo Balke: Überwiegend höre ich Stichworte wie „Freiheitsdrang“, „alles Musiker“, „Lagerfeuerromantik“ oder „herumreisend“. Ich erkläre dann, dass es sich um positive und negative Fremdzuschreibungen, Stereotype handelt. Ich versuche zu vermitteln, wie die Wirklichkeit aussieht und dass die Sinti und Roma über Jahrhunderte hinweg verfolgt und ausgestoßen wurden.
Wie viele Sinti leben in Bremerhaven?
Vielleicht 1.500 bis 2.000 Menschen. Viele kamen nach 1945 zurück und blieben bis heute. Ursprünglich stammen die Familien aus Pommern. Jede der Familien hat durch die Verfolgung der Nazis Verluste erlitten. Nach dem Krieg kam es bundesweit zur zweiten Verfolgung, als Nazis weiterhin in den Behörden beschäftigt waren.
Wie ist es heute?
Uns begegnen nach wie vor antiziganistische Vorurteile. Laut Umfragen sagen 50 Prozent der Deutschen, sie möchten nicht neben Sinti und Roma leben. Als die NPD zuletzt wieder Plakate gegen Sinti und Roma aufhängte, klingelte bei uns im Verein das Telefon heiß: „Warum stehen wir da auf dem Plakat?“, haben die Leute gefragt, vor allem die älteren. Aktuell ist es nun die AfD, die fragt, was die Roma hier wollen.
In ihrer Veranstaltung soll es auch um aktuelle Abschiebungen gehen. Sie sprechen auch da von Antiziganismus …
Bei der Unterscheidung, wer in Deutschland bleiben darf, stehen die Roma wie immer an letzter Stelle. Das hat mit Antiziganismus zu tun. Die Roma kommen als Asylsuchende, und werden in ihren Herkunftsländern stark diskriminiert und man spricht ihnen das Recht ab, hier Schutz zu bekommen.
… ein Problem, das die Sinti ja nicht betrifft.
Das stimmt. Sinti stammen aus dem west- und mitteleuropäischen Raum und leben seit 600 Jahren nachweislich in Deutschland. Roma stammen und wohnen im süd-osteuropäischen Raum.
Teilweise kritisieren Roma, bei den Sinti-Verbänden fänden ihre Probleme, vor allem mit Abschiebungen, zu wenig Beachtung. Was meinen Sie?
Als die Verbände in den 70er-Jahren gegründet wurden, hatten die Sinti und Roma bis dahin noch gar keine Vertretung. Die Probleme waren damals andere, etwa ging es um die Anerkennung des Völkermordes an den Sinti und Roma. Heute setzen wir uns selbstverständlich stark für die zugewanderten Roma ein, unterstützten sie bei der Wohnungssuche und bei der Integration. Wir helfen, wo wir können. Interview: jpb
19 Uhr, Haus der Jugend, Rheinstr. 109, Bremerhaven
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