herzensort: Negative Gefühle runterspülen
Plastik knallt auf Plastik, als die Tür hinter mir zufällt. Riegel vor, Hose runter, auf die Klobrille setzen. Ein tiefer Atemzug. Es riecht ein bisschen nach Pisse, aber das ist mir egal. Hier, in der Kabine der Damentoilette zwischen Fliesen- und Plastikwänden, kann ich mich entspannen. Bei leisem Plätschern nachträglich die Augen rollen über den sexistischen Spruch des Kollegen vorhin. Mein Gesicht in die Hände legen und kurz der Erschöpfung Raum geben. Meinem Herzschlag lauschen. Niemand da, der guckt, der mich verurteilt, nur das Klo, meine Gefühle und ich.
Die einzige Angst, die ich jetzt noch habe, ist, dass sich jemand in die Kabine neben mir setzt, dass die Person nebenan schneller sein könnte und es komisch ist, wenn ich länger brauche als sie. Aber gerade ist niemand da, alles gut.
Das Plätschern hört auf, ich muss los. Hose hoch. Noch alleine schneide ich eine letzte Grimasse, aktiviere jeden Muskel meines Gesichts. Dann Pokerface, Kopf hoch, Riegel auf, Hände waschen, ein letzter Blick in den Spiegel: Ist alles okay mit mir? Und dann geht’s raus. Meine Hände riechen nach Recyclingtüchern, der Duft von Frieden. Alexandra Hilpert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen