herzensort: Fünf Minuten Frieden
Berlin im Frühjahr. Über der Stadt eine Decke, noch immer, grau und schwer. Im Haus mit den vielen Schreibtischen drehen sich die Stühle, klackern die Tasten, blendet das Licht. Ein langer Tag, zäh wie alte Knete, irgendwo zwischen schnell und langsam, ohne Takt. Als draußen das Grau heimlich in Nachtschwarz übergeht, spuckt das Haus mich aus, die Angestellte, heute ohne Rad. Meine Füße tragen mich die Straße runter, ordnen mich ein in den Strom der Geschäftigen. Rauschen um mich herum, Rauschen in meinem Kopf, ein bisschen Büro bleibt immer kleben.
Am Ende eine T-Kreuzung, und auf der anderen Straßenseite taucht er auf, der Unterschlupf. Rechteckig, unscheinbar fügt er sich ein in die Architektur der Stadt, wie eine gekippte Schachtel mit gläsernen Seiten, unter dem Dach vier eiserne Stelen mit Schalen aus Plastik, die flüstern „Setz dich doch“. Nach einer halben Minute wird der Po warm, die kühle Luft kann nicht mehr beißen, der Blick geht nach vorn, fällt auf das Rauschen der anderen. Schauen, warten, sein. Fünf Minuten Frieden an der Bushaltestelle.
Nora Belghaus
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