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Archiv-Artikel

herr tietz macht einen weiten einwurf (110) Mit Helmpje ins Land der Ideen

Herr Tietz freut sich auf Fußballtouristen aus den Niederlanden und ihre speziell für die Weltmeisterschaft entwickelten Kopfbedeckungen

Als ein „Land der Ideen“, als die Heimat der „Dichter und Denker, Forscher und Erfinder, Künstler und Komponisten“, als ein Gebiet auch der Gast-, Sinnen- und Schaffensfreundlichkeit will die Initiative FC Deutschland GmbH das zum abgetakelten Wirtschaftsstandort verkommene Deutschland während der Fußball-Weltmeisterschaft präsentieren. Hinter dieser propagandistischen Anbiederei stecken die Großlobbyisten des hiesigen Abgreifertums sowie deren Handlanger von der Bundesregierung.

Den Schirmherrn – also denjenigen, wenn man so will, welcher den Initiatoren dienstbar beflissen den Schirm hält – darf der Bundespräsident geben. In einem Schirmwort äußerte Horst Köhler, was er von dem Schmu erwartet: „Deutschland – ein Land der Ideen: Das ist nach meiner Vorstellung Neugier und Experimentieren. Das ist in allen Lebensbereichen Mut, Kreativität und Lust auf Neues, ohne Altes auszugrenzen.“ Vorgestern ließ die Initiative als bislang augenfälligsten Ausdruck von Neugier, Experiment, Mut, Kreativität und Lust im Berliner Spreebogenpark das sperrige Styropormodell eines alten Fußballschuhs aufstellen. Ab morgen ist das monströse Trumm zur Besichtigung freigegeben; wer’s sehen will.

Ungleich filigraner und unverkrampfter erscheint dagegen eine zudem ziemlich innovative WM-Idee – allerdings nicht aus Deutschland. In den Niederlanden wurde sie ausgetüftelt und in formschön geschwungenes Plastik gegossen. Holländische Fußballfans werden ihre Ausführung zur WM massenweise ins und im Land der Ideen tragen.

Das Helmpje, so wurde dieses holländische Fanutensil von seinen Schöpfern genannt: ein leuchtend orangefarbener Plastehelm im 1a-Wehrmachtsdesign. Eine Kreation, die nicht nur Köhlers Appell – Neues schaffen, ohne Altes auszugrenzen – nachgerade mustergültig beherzigt, sondern auch von einer großen Lust zeugt. Der Lust nämlich auf gediegene Albernheit.

Oder um es mit einem Werktitel eines der größten deutschen Dichter und Denker zu sagen (den allerdings im Land der Dichter und Denker kaum einer kennt): der Lust auf „Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung“. Und einen praktischen Nutzen hat das Helmpje überdies: falls es mal regnet. Womit man bekanntlich im Land der WM-Arenenbauer selbst in dessen überdachtesten WM-Arenen rechnen muss.

Gleichwohl rümpfen sich hierzulande allerlei Nasen ob dieses schmucken holländischen WM-Ideenbeitrags, vielen Deutschen schwillt darüber sogar gewaltig der Zorneskamm. Vorsichtshalber wurde darauf in den Niederlanden die nicht mal fünf Euro teure Käsekopfbedeckung als geschmacklos geächtet. Man ist schließlich schon einmal besetzt worden. Der königliche niederländische Fußballverband hat sogar das Tragen dieses ebenso nützlichen wie plausiblen Utensils in Hollands Stadien untersagt. Von einem Helmpjeverbot in Deutschland ist dagegen bislang nichts zu hören. Obschon, in einem selbst ernannten „Land der Ideen“, dessen oberste Repräsentanten ernsthaft mit der Idee äugeln, seine Armee während der WM (und wohl auch darüber hinaus) im Innendienst einzusetzen, muss man mit allem rechnen. Andererseits bin ich jetzt, durch das Helmpje inspiriert, fast geneigt, mir diese umstrittene Verfassungsänderung zu wünschen. Weil es gewiss ein hübsch verqueres Bild abgäbe, falls einmal bundeswehrbehelmte deutsche Sicherheitskräfte auf reichswehrbehelmte holländische Scherzkekse träfen. Der tieferen Bedeutung des Helmpjes wäre damit noch eine entzückend schiefe hinzugefügt.

Fotohinweis: Fritz Tietz ist 45 Jahre alt, lebt als Nachfahre ostpreußischer Einwanderer in der Nordheide und treibt gelegentlich Sport