herr hefele kriegt zwei minuten: ALBERT HEFELE über seine vielfältigen Visionen
Blitzblaue Grabkugeln
Daum wird wahnsinnig. So wird es kommen – wetten? Aber dazu etwas später, bzw. was ich zuerst sagen wollte: Die Bundesliga hat wieder angefangen. Entschuldige, Ulla, ich weiß, dass du das weißt . . . aber ich dachte mir, eine Woche vorm Start schreibt und redet alles über den Bundesligastart – ich dann eben später.
Zu einfach, weil alles schon gesagt sei? Von wegen, lieber Leser. Es ist nämlich so: Die Kollegen, also so gut wie alle anderen Schreibenden, sind auf solche banalen Dinge angewiesen wie beispielsweise – Recherche. Und: Eintauchen in die aktuelle Szene. Mit den Betroffenen sprechen. Ich kann das alles nicht, weil ich bin viel zu weit weg, von den großen Städten und Stadien. Weil sie die Ulmer haben auch noch absteigen lassen, und nun bin ich völlig ohne Anbindung an den großen Fußball und sitze hier in diesem gottverlassenen Kaff. Nahe der württembergischen Grenze, wo sich Aff und Pferdchen „Gute Nacht“ sagen (ich hoffe, irgendjemand außerhalb Stuttgarts versteht diesen schwer pfiffigen Hinweis). Im Grunde bin ich also völlig ahnungslos, was vor sich geht. Wer sagt: „Das hab ich mir schon lange gedacht“?
Im Ernst, genau genommen ist es so, ich verfüge über die gleichen Medien um mich zu informieren wie ihr da draußen im Lande. Ich bin einer von euch! Genauso zugeschmiert mit oberflächlichen und überflüssigen Informationen wie ihr. Im Grunde! Aber! Glauben Sie im Ernst, mich hätte eine so renommierte und nahezu weltweit gelesene Zeitung wie die, die Sie da gerade lesen, für wenig Geld engagiert, wenn ich nicht etwas Besonderes zu bieten hätte? Bedenken Sie dieses mal für zehn Minuten, wir machen derweil etwas Werbung – nee Entschuldigung – ich sag’s Ihnen sofort. Also: Ich bin ein Visionär. Das glauben Sie nicht? Dann passen Sie einmal genau auf.
Ich habe Pierre Littbarski eine internationale Karriere mit WM-Finale und alles vorausgesagt. Ich habe Pierre Littbarski seinerzeit ein einziges Mal spielen sehen. Für ungefähr drei Minuten im Rahmen der guten, alten Sportschau. Und da wiederum im Rahmen einer Aufzeichnung eines Punktspieles von Hertha Zehlendorf. Pierre Littbarski war damals siebzehn und hatte nicht mal die Idee einer Ahnung, wo Japan überhaupt liegt (ich hoffe, dass zumindest jene, denen der Name Littbarski noch was sagt, diese wiederum pfiffige Anspielung verstehen). Trotzdem schwanzte (entschuldige, Ulla, das ist überhaupt nicht sexistisch, sondern Fachsprache!) der noch unglaublich junge Pierre seine Gegenspieler schon damals derart reihenweise, dass es meinem visionären Auge sofort klar war: Der wird einer. Und zwar auf ganz großem Niveau.
So war das damals, und: Dies war nicht etwa meine einzige Vision. Denken Sie nur daran, wer in seiner Kolumne vor noch gar nicht langer Zeit, den späteren Europameister Frankreich bombenrichtig vorausgesagt hat! Na? . . . Eben.
Nun aber zu den aktuellen Visionen. Numero eins: Zickler wird innerhalb dieser Bundesligasaison zum Weltstar aufsteigen. Ich möchte diese Vision nicht näher erklären, ich sehe solche Dinge während meiner Séancen. Zico Zickler im Dress von Barcelona und so weiter.
Und Numero zwei: Daum wird wahnsinnig. Ich höre keinen Widerspruch. Ist das ein Wunder? Wem wäre nicht schon etwas blümerant geworden, angesichts der Daum’schen Grabkugeln? Diese blitzblauen Klunker, die, so wähnt man, einem jeden Moment entgegenspringen werden. Aus den bis zum Anschlag geöffneten Augenhöhlen. Speed? Acid? LSD? DFB? Was treibt Monsieur Daum auf ein solches – wahnsinniges – Erregungsniveau? Manche glauben wirklich, es sei lediglich die Vorfreude auf künftige Erfolge mit der Nationalmannschaft. Wozu mir übrigens eine weitere Vision Folgendes eingab: Damit wird es nichts. Weil Daum zwar ein guter Trainer ist, aber nicht das letzte Quäntchen Glück hat. Das aber ist eine andere Geschichte und unerheblich, weil Daum sowieso vorher wahnsinnig wird.
Autorenhinweis:Albert Hefele, 48, ist Ergotherapeut und schreibt über die fundamentalen Dinge des sportlichen Lebens
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen