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harald fricke über ShoppingDer koboldblaue Harrods-Look

Es ist ein Kreuz mit Souvenirs: Warum die Mailänderin mit ihren Clogs aus Göteborg irgendwie daneben liegt

So schnell kann es gehen. Vor zwei Wochen lächelte Nadja Auermann für H & M, nun heißt die neue Frau zur Frühjahrs-Kampagne Mia Tyler. Sieht nett aus mit ihrer Strubbelfrisur, trägt auf Plakaten gern fein gestreifte Anzüge und Capri-Hosen. Ist aber auch alles Geschmackssache, natürlich.

Gleich hinter der Reklamesäule, an der Treppe zur U-Bahn, stapfte dann eine Frau an mir vorbei, die leuchtete. Aber nur äußerlich. Das lag an ihrem Mantel und dem Hut, die beide in Kobaltblau aufeinander abgestimmt waren. Meine Oma hätte zu dem Kopfputz vermutlich Kompotthut gesagt, Kleinkindern wären bei der irgendwie pilzartigen und doch immens rundlichen Gesamterscheinung eher Teletubbies eingefallen. Blau wie ein Kobold eben, so kam mir diese Frau entgegen.

Kein Zweifel, die Farbe, der Schnitt, der filzige Stoff – der ganze Look musste aus England stammen, wahrscheinlich von Harrods, wo die Mittvierzigerin endlich einmal wie eine Dame von Welt shoppen gegangen war. Man gönnt sich ja sonst nichts. Glücklich sah sie darin trotzdem nicht aus, sondern einfach bloß deplatziert. Denn was als gewagter Kleidungsspleen in London zum törtchenbunten Stadtbild gehört, wirkt in der grauschedderigen Berliner Normalität mit ihren dick vermummten Passanten, die unwirsch durchs Leben ziehen, sehr, sehr exotisch – wie ein Kugel-Alien auf Kreuzberg-Trip.

Das ist die Falle, in die so viele Menschen tappen. Nicht nur hierzulande. Die schönen Mitbringsel, sie haben keinen Platz mehr, wenn man zurück in den Alltag gekehrt ist. Man geht auf Reisen, man fährt weg, und man kommt mit Dingen wieder, die man sich als lokale Spezialitäten zum Andenken mitgebracht hat, um etwas zu bewahren aus der Fremde. Doch dann bleibt das fremde Gut gegenüber den hiesigen Bedingungen völlig resistent. Die spanischen Finas-Zigaretten stinken im Wohnzimmer oder auf Arbeit unerträglich; den extra scharfen Schnaps aus Portugal kann man keinem Besuch anbieten; und der spanische Käse, bei dem schon die Zollbeamten missmutig die Nase gerümpft hatten, schmeckt nicht zum Sauerteigbrot und gammelt jetzt im Kühlschrank vor sich hin.

Das Gleiche gilt für Klamotten. Frische Farbkombinationen, wie sie in so ziemlich allen Urlaubsländern beliebt sind, taugen zu Hause höchstens als Bekleidungsstoff für Kasperlepuppen. Das Seidentuch aus Sri Lanka, die purpurnen Pumphosen aus Istanbul, selbst die dänische Kapitänsmütze – alles wirkt irgendwie albern, wenn es erst einmal aus seinem ursprünglichen Umfeld in den heimischen Kodex aus Farben und Formen, Geschmäcken und Gerüchen übertragen wurde.

Ja, es ist ein Kreuz mit Souvenirs. Die täglichen Dinge des Lebens kauft man sich ohnehin zu Hause, für Experimente in Sachen Lifestyle aber taugen auch die Trophäen vom Abstecher in die Ferne nicht unbedingt. Letztlich scheitert man an Barrieren, die nicht vor Ort existieren, sondern erst im Transfer. Denn es sind gerade die Unterschiede zur eigenen Kultur, die das Fremde als begehrenswerte Folklore aussehen lassen. Zumindest auf Reisen – wozu sollte man sonst wegfahren?

Weil das Gefälle zwischen dem Hier und Dort überall groß ist, machen selbstverständlich auch Italiener, Australier oder Finnen die gleichen Fehler. Dann wird der Mann aus Sydney plötzlich zum Gespött seiner Kollegen, weil ihm sein Tirolerhut, den er sich nach einem Besuch auf dem Oktoberfest besorgt hatte, downunder nicht mehr steht; dann hat die Mailänderin mit ihren Clogs aus Göteborg nicht mehr nordische Schuhmode, sondern unförmige Klumpen am Fuß, wenn sie sich mit ihren Freundinnen trifft; nur der Finne wird vom Metaxa zu Hause genauso betrunken wie zwei Wochen zuvor abends in der Strand-Taverne auf Naxos.

Vielleicht hat der weltweite Reiseverkehr aus einer solchen Angst vor den transitorischen Wirren des Konsums überhaupt Bahnhofs- und Flughafenshops eingerichtet. Die bieten nämlich auf dem gesamten Globus die immergleichen Waren an: Die Parfums, die Kippen, die Schokolade unterscheiden sich von Wien-Schwechat bis Rom-Fiumicino nicht; der Body-Shop in Frankfurt hat dasselbe Sortiment wie sein Pendant in Nizza; die Farben in den Krawattenauslagen sind stets ausgefallen und dennoch international dezent – egal ob JFK oder Tegel. Zugleich bilden diese überaus erfolgreichen Einkaufszentren für den Touristen den letzten Stopp vor der Heimfahrt, sie sind eine Art Schleuse, die er auf dem Weg nach Hause passieren muss, damit die Eingliederung dort nicht allzu schwer fällt. Die Wiederkehr des Gleichen beruhigt ungemein. Wer sein Urlaubsgeld trotzdem vorher noch unbedingt bei Harrods ausgeben will, ist selbst schuld. Aber wer weiß, womöglich wäscht sich das irre Blau ja auch raus, mit der Zeit.

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