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harald fricke über MärkteDie Welle reiten, bevor sie kippt

„Star Wars II“ langweilte auf 1.035 Leinwänden im Lande die Leute. Doch so hindert man andere am Geldverdienen

Does anyone know the way / there’s got to be a way / to Blockbuster (The Sweet)

Im Kino gewesen. Gelangweilt. Prinzessin Amidala und Anakin Skywalker brauchen eine Ewigkeit, bis es zum Äußersten kommt – nämlich dass er den Ehering mit seiner Heavy-Metal-Prothesenhand hübsch dekorativ für die Kamera über den Finger der Angebeteten stülpt. Vorher wird noch eine Stunde geballert, was die Konsolen hergeben. Merkwürdig nur, dass niemand stirbt bei einer Kugeldichte von 30 Schuss pro Kubikzentimeter.

Schon beim Abspann von „Star Wars – Episode II“ ist der Kinosaal im Sony-Center am Potsdamer Platz wie leer gefegt. Vielleicht 60 von 360 Plätzen waren für die Acht-Uhr-Vorstellung belegt. Richtig deprimierend werden die Werte erst, wenn man in den Programmplaner der Berliner Kinos schaut: 125 Vorstellungen täglich laufen von „Star Wars – Episode II“, für das gesamte Einzugsgebiet gibt es sogar 180 Eintragungen. Da die Kapazität je nach Lichtspielhaus zwischen 200 und 350 Sitzplätzen schwankt, könnten an diesem Montag weit über 25.000 Menschen allein in Berlin den geklonten Kriegern beim Show-down zugesehen haben. Man braucht keinen Taschenrechner, um bald auf die Million Kinogänger zu kommen, die von Lucasfilm in Berlin für die ersten fünf Wochen anvisiert worden sind.

Nach dem Selbstversuch im Sony-Center muss ich sagen: Daraus wird wohl nix. Ginge es nach der realen Auslastung, müsste „Star Wars II“ trotz unentwegt gemeldeter Box-Office-Rekorde und breit gestreutem Medien-Powerplay ein Flop sein. Da werden einerseits triumphale fünf Millionen Zuschauer gemeldet, die den Film deutschlandweit bislang gesehen haben sollen; legt man allerdings die 1.035 Kopien zugrunde, mit denen der Film hierzulande angelaufen ist, hätten bis heute tatsächlich gut 33 Millionen Bundesbürger die Hochzeit von Amidala und Anakin auf der Leinwand verfolgen können, wenn nicht müssen.

Nun ist einfache Multiplikation zwar immer gut für griesgrämige Bedenkenträger wie meinereiner, aber nicht unbedingt das Einsatzgebiet von Managern aus der Filmbranche, die ihre Zeit an der Harvard Business School mit höherer Mathematik verbracht haben. Ihnen geht es bei einem Produkt wie „Star Wars II“ um eine Konsolidierung der Marktanteile auf Etwas-über-Soll-Niveau. Nur aus Imagepflege werden die Quoten zum Filmereignis als Publikumserfolg stilisiert, damit der durchschnittliche Kinogänger in Bottrop oder Berlin weiß, dass seine Entscheidung die richtige war: Er hat den Zielgruppen übergreifenden Film des Sommers gesehen; er hat „Star Wars II“ erst zu dem Blockbuster gemacht, als der die Weltraumsaga über Monate im Voraus angekündigt war. Entsprechend ist die Rede von immer neuen Rekorden und Gewinnmaximierung auch eine Solidarnote an die Fans: Leute, ihr seid auf dem richtigen Weg! Wir schaffen noch eine Million mehr! Am besten, ihr geht also noch mal rein!

Wichtiger als die konkreten Star-Wars-Scharen im Kino ist jedoch die Tatsache, dass zur gleichen Zeit kein anderes Produkt einen ähnlichen Erfolg aufweisen kann. Denn das gehört zur Psychologie von Diskurshoheit und Meinungsdominanz: Aufmerksamkeit schafft Nachfrage; und Nachfrage wird mit erhöhter Aufmerksamkeit belohnt. Solange der Lucasfilm im Gespräch bleibt, hat er weiterhin oberste Priorität – nicht bloß an der Kinokasse, sondern auch beim Soundtrackverkauf, bei den Umsätzen im Merchandising bis hin zu den Absatzmärkten für DVDs der älteren Episoden, dazu T-Shirts und Taschenbücher der Filmserie.

Anders als beim Surfen muss man auf dem Kinomarkt allerdings die Welle reiten, bevor sie kippt. Dieser Punkt ist mit der Premiere von „Spider-Man“ vor einer Woche erreicht worden. Seither berichten die Medien davon, dass die Comicverfilmung das Jedi-Ritter-Abenteuer an den Kinokassen geschlagen hat. Das mag ein Zeichen für den frühen Niedergang des Lucas-Imperiums sein, es ist zugleich der Anlass, täglich ein bisschen mehr etwa über die entspannten „Spider-Man“-Dreharbeiten mit Willem Dafoe und Tobey Maguire zu berichten oder darüber, ob Hauptdarstellerin Kirsten Dunst einen festen Freund hat. Maguire ist es nicht, auch wenn die beiden im Film mehr aneinander knabbern als Skywalker und seine Prinzessin in 100 Jahren Star Wars.

Fragen zu Märkten?kolumne@taz.de

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