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Archiv-Artikel

hamburger szene Der andere

„Lokschen“ heißt das Gebäck, das auf großen Aluminiumschalen herumgereicht wird, jetzt, da die eigentliche Eröffnungszeremonie vorbei ist. Ich greife zu, wie man es wohl herzhaft nennen würde, ehe ich mich zu der tollen, älteren, weisen Schriftstellerin geselle, die ich einmal kennen gelernt habe. „Wie schön, dich zu sehen“, sagt sie und fragt mich dann ebenso aufrichtig, ob ihr Kollege Wolf und ich uns kennen. Nö, woher denn, denke ich, aber dann … dieses Gesicht? Klar, das ist doch … nein, oder ja, doch – erleichtert nenne ich ihn beim Nachnamen. Offenbar beim richtigen, denn Wolf fasst sichtlich Zutrauen zu mir und fängt an, mir von seinem Werk zu berichten.

Lieder habe er geschrieben, erzählt er mir. Wieso Lieder, rattert es wieder in meinem Kopf: Ein Liedermacher, ja, aber war das am Ende dieser eine da, der aus dem Osten? Der immer so viel zu sagen hat, auch über 68 und so? Was denn bloß für Lieder? Ich beschließe ihn zu fragen: „Sagen Sie mal, Herr, ähhh, Wolf, waren Sie das dann nicht mit den Schmuddelkindern?“ Das Gesicht der tollen, älteren, weisen Schriftstellerin neben mir verzieht sich kaum merklich. Wolf aber setzt an, mir meinen Irrtum zu erklären. „Nein“, sagt er, „das war der Kollege Degenhardt.“ Der sei ja eher deutsch-national, habe mit ihm, Wolf, „gar nichts“ zu tun, ja könne „mich auch überhaupt nicht leiden“.

„Hach, dann waren sie der andere!“, rutscht es mir noch raus, und dann esse ich noch ein Stück Nudelpudding. Lokschen. Damit kenne ich mich wenigstens aus. REBECCA CLARE SANGER