hamburger szene : Showtime im Untergrund
Schwül ist es zur Feierabendzeit in der U 3. Die grau-grau karierten Sitzbezüge riechen am Ende des Tages nach Schweiß. Und wer darauf sitzt, vermeidet den Augenkontakt zum Gegenüber. Stumm starren alle aus dem Fenster. Gehustet wird höchstens heimlich beim Aussteigen.
Nach etlichen stillen Kilometern fällt um etwa halb sieben das erste Wort: „Showtime!“ Ein junger Mann, der gerade erst eingestiegen ist, sagt es laut und schwungvoll. Er trägt einen dunkelblauen Pulli und frisurlose, blonde Haare. „Showtime in der U-Bahn mit Elvis, meine Damen und Herren“, sagt er und spielt mit einem braunen Wildledersäckchen. Weiter hinten geht das Radio an, ein zweiter Musikant singt beherzt erste Zeilen. Einige Mitfahrende blicken kurz auf. „Ruhe! Seien Sie umgehend still, sonst fliegen Sie raus“, ruft mit dünner Stimme eine Frau mit Brille. „Sie wissen, dass das verboten ist.“ Tatsächlich verstummt die verbotene Musik, die beiden Männer steigen aus.
„Blöde Kuh, was will die da hinten“, schimpft jetzt vorne links ein Mann. „Die hat schließlich ihr Auskommen.“ Er schüttelt den Kopf. Andere schütteln mit. „So eine Zicke. Geh doch nach Hause.“ „Was soll denn das!“ „Unglaublich.“ Die Frau mit der Brille bleibt ruhig und zückt ihr Funkgerät. „Die Musiker sind wieder aufgetaucht“, sagt sie hinein. „Bitte aufpassen.“ Beim letzten Wort steigt auch sie aus. Ein älterer Herr nutzt den Moment. Mit dem Geräusch der schließenden Türen hustet er noch schnell. Heimlich. SILKE BIGALKE