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Archiv-Artikel

hamburger szene Schweres Los

Wir gingen über den Dom, weil meine Freundin ihre Suche nach dem perfekten Softeis fortsetzen wollte. Und mich hatte gereizt, dass die Schausteller direkt auf dem Heiligengeistfeld in Wohnwagen campierten, und das, fand ich gerade, war doch wie die wahre Freiheit. Wie von Matrosen die Luft, die da wehte. Also hielten wir Ausschau: Nach Softeis, das so schmeckte, wie jenes, das meine Freundin ein einziges mal in London gegessen hatte, auf dem Trafalgar Square. Und nach Schaustellern und ihrem abenteuerlichen Leben.

Halt machten wir schließlich am Kettenkarussell. Und an der Losbude, wo wir die Aufmerksamkeit eines Losverkäufers auf uns zogen: langes und fettiges, nicht mehr ganz volles Haar, braun gegerbte Haut, schmächtige Statur, und scheinbar nur noch einen Zahn im vorderen Gebiss. Und offenbar sofort in uns verknallt. Wofür die drei tätowierten Punkte im Winkel jedes Auges den stünden, wollten wir wissen. „Arbeitslosigkeit“, sagte der Mitt- bis Endvierziger, „Schwulheit und Perversität.“

„Arbeitslos biste doch gerade nicht“, merkten wir an und fragten, wie viel er denn verdiene. „Geht nicht per Stunde und auch nicht per Tagespauschale“, sagte er, „geht pro verkauftem Eimer Lose.“ Woraufhin er sich nach seinem riesigen Eimer voller Lose drehte. Und wir ihm welche abkauften und sogar gewannen: ein Flugzeugmodell im Wert von 30 Cent. Ob wir morgen wiederkämen, fragte er. Und ob wir bessere Arbeit wüssten. Von wegen Freiheit. REBECCA CLARE SANGER