hamburger szene : Barmherzigkeit
Das Treiben soll ein Ende haben. Wieder einmal hat es die blecherne Tonbandaufnahme des Marktvorstehers verkündet, wieder einmal gibt der Kaffeeverkäufer noch mal alles, um die restlichen Bohnen in der Mühle zu verheizen. „Letzte Runde!“, grölt er, „Das ist Hamburg! Das ist Fischmarkt!“, und wirft dabei fast die beiden Frauen mit ihren Kopftüchern und den Bechern aus Pappe über den Haufen. Die Frauen bitten um Geld, für ihre sieben Kinder.
„Sieben Kinder? Ich hab 20“, sagt der Kaffeeverkäufer und wiederholt es wie zur Bekräftigung: „20!“, und hebt dazu beide Hände mit gespreizten Fingern zweimal. Die Frauen verstehen das offenbar nicht, denn sie richten nun wieder ihre Pappbecher auf ihn. Kurz an der Kaffeemaschine beschäftigt, dreht er sich um und erklärt, noch gestenreicher, seine Familiensituation. „20 Kinder!“. Jetzt hat eine der beiden Frauen verstanden, erklärt es der anderen, und beide kichern sie.
Als ich die zwei Cappuccinobecher sehe, die der Kaffeeverkäufer ihnen reicht, verstehe ich, warum sie danach noch geblieben sind.
„Sieben Kinder? Siebenmal dreihundert Euro und dann noch Wohngeld“, jammert der Kaffeemann gespielt wehleidig und ruft: „Dagegen bin ich doch arm!“ Wir raten ihm, seine 20 Kinder zu sich zu nehmen, dann müsste er nicht mehr Kaffee verkaufen. Und könnte ein eigenes Fußballturnier mit seinen Sprösslingen abhalten: den Coffee Cup. REBECCA CLARE SANGER