hände hoch, oder ich bete! von RALF SOTSCHECK :
Die englische Polizei hat eine neuartige Methode für die Verbrechensbekämpfung entwickelt: Beten. Die Beamten in Nottingham haben sich mit den Kirchen zusammengetan und einen „Verbrechen-Wegbetungsplan“ ausgetüftelt, der die kriminellen Elemente der Stadt völlig unvorbereitet getroffen hat.
Die Sache ist wissenschaftlich fundiert, hat man doch zwei Jahre lang Feldversuche durchgeführt: Ausgewählten Gemeinden im Problembezirk Arnold wurden sonntags beim Gottesdienst die neuesten Trendmeldungen bei der Kriminalitätsentwicklung vorgelegt, damit die Kirchgänger gezielt beten konnten. Sie waren so erfolgreich, dass die Verbrechensrate um zehn Prozent gefallen ist.
Deshalb soll die „Aktion gefaltete Hände“ nun auf Clifton ausgedehnt werden, eine heruntergekommene Wohnsiedlung, in der 30.000 Menschen leben. Neun Kirchen verschiedener christlicher Spielarten haben sich bereit erklärt, ein wenig von ihrer Betzeit für die Verbrechensbekämpfung abzuzweigen. Den göttlichen Plan hat Inspektor Alan Stuart ausgeheckt. „Die Jugendkriminalität ist im nationalen Vergleich gesunken“, freut er sich. In seiner Freizeit ist Stuart Laienprediger. Es ist schön, wenn man Beruf und Hobby verbinden kann. Die Gemeinde hat Glück gehabt, sein Steckenpferd hätten ja auch oberbayrische Volkstänze sein können, dann müssten die Kirchgänger nun gegen das Verbrechen schuhplattlern.
So aber soll in Clifton die geballte Betkraft von tausend Gemeindemitgliedern für Recht und Ordnung sorgen. Zunächst wollen sie sich auf Einbrüche konzentrieren, später soll Sachbeschädigung ausgemerzt werden, und schließlich geht es auch leichtem Diebstahl an den Kragen. Mobile Betkommandos könnten, wenn alles klappt, schon ab Herbst dem Straßenraub zu Leibe rücken. Reverend Lesley de Pomerai, Vikarin der Kirche des heiligen Franz, ist schon ganz aufgeregt. Keine betet so schnell aus der Hüfte wie sie. „Die Polizei ist vollkommen verblüfft“, sagt sie. „Es gibt keine andere Erklärung als unsere Gebete. Das ist der Vision einiger aufgeklärter Beamter zu verdanken. Gott will ja handeln, aber wir müssen präzise Angaben machen, damit er seine Macht gezielt einsetzen kann. Zur Zeit beten wir gegen Trunkenheit Minderjähriger.“ Der Mensch lenkt, und Gott verwandelt Alkohol in Wasser? In der Bibel funktionierte das aber verbraucherfreundlicher.
Noch gibt es Skeptiker, wie den Wissenschaftler Richard Dawkins: „Wenn die Polizei in Nottingham so gutgläubig ist“, sagt er, „wundert es mich, dass die Beamten überhaupt irgendwelchen Verbrechen auf die Spur kommen. Wenn Gott es schafft, die Verbrechensrate zu senken, warum tut er es dann nicht von sich aus, sondern wartet, dass man ihn darum bittet?
Inspektor Nigel Hallam sieht dies agnostischer: „Das kostet kein Geld. Warum soll man es nicht versuchen?“ Gleichzeitig bat er die Gemeindemitglieder, vielleicht auch etwas Handfesteres gegen das Verbrechen zu unternehmen. Alan Simpson, der linke Labour-Abgeordnete, zu dessen Wahlkreis Clifton gehört, sagte: „Ich bin davon überzeugt, dass die meisten Verbrechensopfer dafür beten, dass ein Polizist auftaucht.“ Oder dafür, dass der Herr den Beamten etwas Hirn vom Himmel wirft.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen