grandios geglückt: Mehr als eine Attraktion für Touristen
Sogar in Bogotá gibt es sie längst. Auch in Köln oder Koblenz kann man sie bewundern, ebenso in Singapur und Taipeh. Im französischen Toulouse wird gerade eine gebaut, in Bolivien zwischen La Paz und El Alto entsteht ein ganzes Netz. Und wenn es gut läuft, bekommt bald auch Berlin ein zivilisatorisches Upgrade verpasst – und eine Seilbahn.
Für mehr als ein Jahrhundert war die Seilbahn so etwas wie der Almöhi unter den Konzepten der Mobilität. Gewöhnlich begegnete man ihr im Gebirge, wo sie Höhenunterschiede für Güter oder Skifahrer mühelos einebnete. Hin und wieder überbrückte die Konstruktion auch Gewässer. Abseits idyllischer Urlaubsgebiete aber, im urbanen Raum, ist lange nur für den individuellen Nahverkehr gebaut worden – beziehungsweise für die Schiene neben, unter oder auf Stelzen über der Straße. Aber Raum ist knapp geworden, das quatschige Flugtaxi bislang ein Traum geblieben und der Raketenrucksack ein leeres Versprechen.
Und so besinnt sich der öffentliche Personennahverkehr auf ein ehrwürdiges Prinzip, dessen Fahrgefühl nur mit einer Ballonfahrt zu vergleichen ist. Die Seilbahn, orakeln Verkehrsplaner, könne überdies „Lücken im ÖPNV“ schließen. Wer auf diesen angewiesen ist, weiß, dass er im Grunde nur aus Lücken besteht, vom Pendlerparkplatz zur S-Bahn, von der Bushaltestelle durch den dunklen Park nach Hause. Es sieht also gut aus für die Seilbahn, nicht nur als Attraktion für Touristen. In Madrid beispielsweise lässt sich mühelos aus dem Stadtzentrum in ein Naherholungsgebiet gondeln. Geräuschlos, emissionslos, stressfrei. Die Seilbahn überspannt Hindernisse und beansprucht keinen Platz auf dem Boden. Aufgrund minimaler baulicher Vorbereitungen kostet sie nur einen Bruchteil konkurrierender Lösungen und braucht nicht einmal einen Fahrplan, weil sie, wie ein Karussell, einfach immer fährt.
Überdies handelt es sich um das – nach dem Flugzeug – sicherste Fahrzeug überhaupt. Beim Bus knallt es, statistisch gesehen, alle 616.000 Kilometer, bei der Straßenbahn sogar alle 225.000. Bei Seilbahnen kommt es nur alle 17 Millionen Kilometer zu einem Unfall. Dann ist man zwar, statistisch gesehen und im Gegensatz zu Bus und Bahn, verlässlich tot – aber hey, nur alle 17 Millionen Kilometer!
Bis dahin allerdings ist im Höhenflug eine Aussicht zu genießen, die bisher das Privileg tief fliegender Polizeihubschrauberpiloten oder Kranführer war. Der Stau hört auf zu existieren. Endlich wird die Renaissance dieser alten Idee auch das Bild unserer Städte verändern. Ein luftiges Netz verkabelter Schwerelosigkeiten, wie Gespinste im Altweibersommer. Her damit!
Arno Frank
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