piwik no script img

Archiv-Artikel

gottschalk sagt Arbeitslosigkeit tötet nicht

CHRISTIAN GOTTSCHALK: Die Kolumne am Donnerstag

Als ich letztens die Express-Überschrift zur Schließung diverser Karstadt-Filialen las, erlosch meine Bereitschaft zu empathischem Umgang mit dem gebeutelten Lohnarbeiter. Dies sei ein „Tod auf Raten“ stand da. Vielleicht sollte es ihnen mal jemand sagen: Man stirbt nicht, wenn man seinen Arbeitsplatz verliert. Was wirklich passiert ist, dass man weniger Geld und mehr Zeit hat. Das mag für viele Leute ein Problem sein, pleite zu sein ist in der Tat kein großer Spaß, aber man wird nicht ans Bett gefesselt in Siechtum verfallen und des Hungers sterben.

Mit Freund R. diskutierte ich neulich über Arbeit, hierzulande, und wir konstatierten, dass alle, wir beide eingeschlossen, ein völlig neurotisches Verhältnis zu Arbeit haben. Angeblich soll der Katholik, sprich der Kölner, dem Protestanten, dem Preußen also, der seinerzeit beim Anblick des Domes pikiert feststellte, dass dieser ja bis dato über gar kein Dach verfüge, geantwortet haben: „Ja, wissen Sie, was das für Arbeit ist?“

Wer heute so offen zu seiner Faulheit steht, der wird sofort vom Präsidenten der BRD persönlich beschimpft. „Kein Geld für Faule!“ Ja, wieso denn nicht? Wo ist der Unterschied zwischen dem Fleißigen, der keinen Job kriegt, weil es für ihn keinen gibt, und dem Faulen, der auch keinen Job kriegt.

Wäre Eva nicht auf die Schlange reingefallen, wären wir alle arbeitslos und glücklich, denn das sei doch genau genommen der Zustand im Paradies gewesen, meinte R. Biblisch gesehen sei Arbeit nichts anderes als Strafe. „So einen Job hatte ich auch mal“, erwiderte ich.

Das klang etwas ungenau, aber ich hatte es so empfunden, als ich mal ein Arbeiter war. Ich sagte zu R., wenn Arbeit so eine begehrte Mangelware sei, wenn die Leute meinten, sie stürben, weil sie nicht mehr bei Karstadt an der Kasse stehen dürfen, sollten doch diejenigen, die freiwillig darauf verzichten, genug Geld und eine Urkunde bekommen für ihren vorbildlichen Einsatz für die Gesellschaft. Wäre ein Fauler nicht total asozial, wenn er einem Fleißigen den Job wegnehmen würde? Müsste man ihm für ein nonchalantes „Nimm Du ihn, Du hast ihn nötiger Kollege...“ nicht eigentlich total dankbar sein?

R. und ich beschlossen, ein Buch zum Thema zu verfassen. Sie wissen ja: Wer keine Arbeit hat, der macht sich welche.