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Archiv-Artikel

gottschalk sagt Der Stadtrat ist kein Ponyhof!

Der Bochumer Stadtrat regelt seine Angelegenheiten in 27 Sitzungsstunden im Jahr. Die Wuppertaler Volksvertreter brauchen nur 12 Stunden. In der Landeshauptstadt ist Oberbürgermeister Erwin 45 Stunden jährlich mit der Leitung von Ratssitzungen befasst. Die Kölner brauchen zwischen 56 und 80 Stunden. Deutscher Rekord! Dafür gibt es verschiedene Ursachen, die im Express unter der Überschrift „Schwadlappen im Rat“ dieser Tage verhandelt wurden.

Schwadlappen heißt so viel wie Laberköppe. Zwei Ratsfrauen des „Kölner Bürger Bündnisses“ hatten beantragt, die Sitzungszeit zu begrenzen. Als könnte man nicht acht mal im Jahr eine Zehn-Stundenschicht absitzen. Pförtner, Artdirektoren und Taxifahrer machen das jeden Tag. Der Stadtrat ist kein Ponyhof, meine Damen! Beschweren sie sich doch bei der Gewerkschaft, vielleicht stellen die sich mit ihren lustigen Mülltüten bekleidet vors Rathaus.

Zu den offiziellen Gründen: Zum einen sitzen im Kölner Rat sechs Fraktionen sowie das Bürgerbündnis. Klare Mehrheiten gibt es auch keine, was die Sache nicht einfacher macht. Die Redezeit ist zwar begrenzt, aber der Bürgermeister als Sitzungsleiter scheint die Rasselbande nicht im Griff zu haben. Zu den verschwiegenen Gründen: Abgesehen davon, dass eine Großstadt wie Köln automatisch mehr Tagesordnungspunkte produziert, als beispielsweise Bielefeld, muss man bedenken, wer da im Kölner Rat sitzt, nämlich Kölner.

Der Westfale tut ja gerne so, als sei ihm eine Sache im Grunde gleichgültig, weiß aber, was er will: „Mich ist eins, gib mich man Brause“ wie meine Großmutter gerne zu sagen pflegte. Im Ruhrgebiet, so denke ich mir, ist eher der zupackende Typus gefragt. Die erste Generation, die ihre Adoleszenz komplett über Tage verbracht hat, wird doch wohl die Entscheidung über die Einrichtung eines Kreisverkehrs zügig mit hochgekrempelten Ärmeln abhaken können. Im Notfall könnten die ihn sogar bauen.

Auch der Kölner weiß was er will, nämlich reden. Das tut er gerne. Doch anders als „Beim Pitter“ an der Theke muss er im Rat auch noch zuhören, lange zuhören, sehr lange zuhören. Wenn ich da so an einige Ratsmitglieder denke, ganz unabhängig von der Fraktion, glaube ich gerne, dass das kein großes Vergnügen ist. Politik übt halt eine große Anziehungskraft auf Nervsäcke aus. Und manchmal, hier irrt Andreas Dorau, kann Demokratie auch verdammt langweilig werden. Wenn ich mir den Kölner Rat, ganz unabhängig von den Fraktionen, so anschaue, sehe ich da aber auch etwas Positives: Es trifft nie die Falschen.

Fotohinweis: CHRISTIAN GOTTSCHALK lebt in Köln und sagt die Wahrheit – alle zwei Wochen in der taz