globalisierung: Berlinisiert Ikea
Bolle statt Billy
Niemand hat die deutsche Wohnkultur so nachhaltig und grundlegend verändert wie Ikea. Schweden hat mit Ingvar Kamprad, dem Ikea-Firmengründer und reichstem Schweden der Welt, in Deutschland mehr Boden gewonnen als König Gustav-Adolf im Dreißigjährigen Krieg. Schon heute glauben viele, das Wort Möbel stamme aus dem Schwedischen.
Und weil es längst keine Wohnung mehr gibt, die nicht mindestens einen Einrichtungsgegenstand mit unaussprechlichem Namen beherbergt, gibt es in Berlin bald zwei weitere Häuser dieser Möbelkette. Schließlich stellen die Berlinerinnen und Berliner schon heute einen Großteil ihrer Kaufkraft dem Möbelriesen zur Verfügung.
Trotz Globalisierung und Corporate Identity wäre doch daher ein wenig Entgegenkommen und Rücksicht auf die regionalen Gepflogenheiten angemessen. Denn sonst wird Berlin dank des vierten blau-gelben Möbelhauses bald endgültig zur deutschen Ikea-City.
Wie wäre es mit einem stärker regionalen Bezug bei der Namensgebung für die Schwedenmöbel? Das kann vor so manchem Schaden bewahren. Zur Warnung sei dabei an den Fauxpas der Firma Nissan erinnert, deren geländegängiges Modell „Pajero“ in Spanien mit dem wenig attraktiven Namen Wichser übersetzt wurde. Zwar hat Ikea sein Image als Kiefernholzgrossist langsam abgelegt, doch es gibt sie noch, die Astlochkisten von IVAR über NARVIK bis MOLLÖSUND. Einberlinert in Modell SCHORFHEIDE, GRUNEWALD oder TEGLERFORST – so ließen sich die negativen Globalisierungseffekte wie Identitätsverlust und Heimatlosigkeit leicht abfedern. BOLLE statt BILLY und WEDDING statt BEDDINGE – mit dem einfachen Klick-Klack-Mechanismus.
Das Küchensstem VÄRDE (mit Schutzkappen aus Metall) jedoch bräuchte einen unverdächtigeren Namen. Die Verbindung Küche – Pferde ruft gerade im derzeitigen Kampf um den Erhalt der Berliner Polizeireiterstaffel beunruhigende Assoziationen hervor. Während aus der Moskauer Filliale vermeldet wird, dass statt Möbeln vor allem Wodkagläser reißenden Absatz finden, muss auch Berlin hoffentlich nicht mehr lange auf Berliner-Weiße-Gläser „designed by Ikea“ warten. Auch der Curryspender oder der Wurstschneider bieten sich an. Aber nein, stattdessen gibt es schwedische Hotdogs mit denen Ikea-Kunden in die mitunter strapaziöse Bastelwoche verabschiedet werden – was wäre es für ein symbolträchtiges Zeichen, Currywurst zukünftig auf der Wanderpappe zu kredenzen. Aus Gründen der Corporate Identity ließe sich auch über DØNER verhandeln.
JAN ROSENKRANZ
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