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galerie esther schipperTraumata der Geschichte

Die Installation ist schlicht und scheint auf den ersten Blick ohne Weiteres zu entschlüsseln. Ihr Thema: Krieg und Frieden. Für den Krieg spricht die behelmte und mit einem Speer bewaffnete weibliche Figur in tarnfarbenem Camouflage-Gewand. Für den Frieden sprechen die Männer, die von weiteren umringt, feierlich ihre Unterschrift leisten. Nun ist aber ein so dokumentierter Frieden häufig neuerlicher Anlass für Krieg. Genau die Sorte Friedensvertrag war der Vertrag von Sèvres 1920, den Cemile Sahin in ihrem Environment bearbeitet.

Über die Fototapete der Männerrunde an der Wand hat die kurdischstämmige, 1990 in Wiesbaden geborene Künstlerin in aggressivem Orange die Worte „That I did not receive in time the French Minerva it would have taught me wisdom“ gedruckt. Mit ihrer Typo-Referenz auf Barbara Kruger macht Sahin die politische Intention ihrer Text-Bild-Praxis deutlich. Der zitierte Satz stammt von Wilhem II., der deutsche Kaiser war einer der Verlierer des Ersten Weltkriegs genau wie das alliierte Osmanische Reich, das mit dem Vertrag von Sèvres unterging. Dass Minerva, die Schutzherrin der Künste und der strategischen Kriegsführung, mit am Tisch saß, nutzte nichts, war die Göttin der Weisheit doch nur eine Porzellanfigur und funktionierte als Schreibgarnitur. Sahin hat sie fünfmal in Farbe auf eine Plexiglasscheibe gedruckt, vor die Tapete gestellt und in französische, britische, deutsche, italienische und türkischen Camouflage gekleidet. Alle diese Länder haben seit Sèvres Einfluss auf die Neugestaltung des Nahen Ostens ausgeübt.

Cemile Sahin: It Would Have Taught Me Wisdom, Galerie Esther Schipper, Di.–Sa. 11–18 Uhr, bis 30. Oktober, Potsdamer Str. 81E

Die bis heute nachwirkenden Folgen arbeitet Sahin derzeit in Filmen heraus, die – entsprechend ihrer künstlerischen Praxis, sich ungeniert zwischen bildender Kunst, Literatur und Film zu bewegen – ihre Installation erweitern werden. Und so ist das vermeintlich schlichte „It Would Have Taught Me Wisdom“ tatsächlich eine vielschichtige künstlerische Auseinandersetzung mit den Traumata der Geschichte. Brigitte Werneburg

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