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fußball mit sitzenden männern

von JÜRGEN ROTH

Ich aß zirka 1992 in der Pause der Begegnung Eintracht Frankfurt – SG Wattenscheid 09 eine Käsestange. Andreas Möller lief dann während der zweiten Hälfte noch etwas storchensalatiger umher. Ich konnte es ihm, selbst steinschwer, kaum übelnehmen.

Eine andere Fußballrandbegebenheit schätze ich besonders: genau genommen ein Foto aus Ror Wolfs leider weithin vergessenem Buch „Das nächste Spiel ist immer das schwerste“. Neben dem Montagetext „Unsere schwarzblauen Freunde vom Bornheimer Hang“, einem Meinungs- und Sprüchekonvolut, sehen wir drei Männer, sitzende Männer. Sie sitzen, als seien sie geerdet. Eine unbekannte Kraft heftet sie fest. Sie sind da hingetackert und zählen ungefähr zwischen achtundvierzig und dreiundsechzig Lenze. Im besten Spielealter.

Links beugt sich der Mann grübelnd nach vorne. Er trägt einen Hut. Einen Hut, den wir nie tragen würden. Die Krempe breit, das Hutband schwarz, die Delle doll. Er hält etwas in der Hand. Wir erblicken bloß die linke, leicht gewölbte Hand. Könnte sein, sie umklammert einen runden Gegenstand.

Der mittig postierte Mann trägt keinen Hut. Dieser Mann hat einen Hut nicht nötig. Seine Haltung ist aufrecht. Das mag daran liegen, dass er mit der Linken etwas zum Mund führt, das wir nicht erkennen können. Wer sich Nahrung einverleibt, muss aufrecht sein. Bestimmte Bereiche des Fotos sind unscharf. Dennoch, er isst, der Mann. Wahrscheinlich.

Genau gewärtigen wir jedoch, wie dieser Mann in der Mitte dieser Männer mit der rechten Hand eine 0,33-Liter-Bierdose hält. Der Wollmantel wirkt steif. Er scheint gestärkt. Die Hornbrille sitzt. Augenblicklich wird der Mann trinken. Der rechte unserer Männer linst herüber zu dem Vorgebeugten und dem Bierfreund. Er trägt wieder einen Hut, einen schwarzen; des weiteren, gleich den beiden anderen Männern, eine Krawatte zu einem weißen Hemd. Er hört offenbar dem vernehmlich räsonierenden linken Herrn zu. Das schwammige Gesicht verrät Zustimmung, vielleicht Freude, ruhige Freude über die günstigen Auspizien. Seine Hände betten eine Dose Bier ein. Zwischen den Füßen der bequem am aschenen Spielfeldrand weilenden Männer zähle ich vierzehn Dosen Bier. Die Männer besprechen taktische Möglichkeiten. Sie diskutieren die Aufstellung. Ein gelassenes Expertentrio. Die oft gescholtenen, nicht berufenen Bundestrainer.

Es ist die mir liebste Fußballszene, vor Buchwalds 1990er Übersteiger gegen die Niederlande, vor Wiesingers Nürnberger Dribblings, vor Katsches anmutigen Grätschen. Vor meinem Zusammenprall mit dem rammelkopfroten FCN-Präsidenten Michael A. Roth nach dem Spiel Nürnberg gegen Bochum im Mai 1996.

Die Collage „Unsere schwarzblauen Freunde vom Bornheimer Hang“ hat ein Motto, eine der literarischen Laternen, der Kunstleuchten, welche die Poesie des alten Fußballs schlagartig erhellen: „Sechs Bier. / Sechs Stück? / Ja, sechs Stück.“

So war es gut. Und bei Premiere glotzen wir in Lothars trübes, unmagisches Auge.

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