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fußball Manchester City leistet sich ein Farmteam in der Ersten spanischen Liga. Zu den neuen Besitzern des Girona FC gehört Pere Guardiola, Bruder von Manchesters Trainer PepEngland greift sich Katalonien

aus Girona Florian Haupt

Jeder Verein hat ja so seine Besonderheiten. Beim Girona FC, Aufsteiger in Spaniens Primera División, gibt es etwa „El Sisplau“. Der heißt eigentlich Effah Kingsford, er kommt aus Ghana. „Sisplau“ wiederum ist Katalanisch für „bitte“. Und die Geschichte geht so: Bei einem wichtigen Heimspiel gegen Numancia um den Abstieg in die Dritte Liga sah der vor Jahren nach einer Odyssee auf einen selbst gebauten Holzboot eingewanderte Afrikaner in traurige Gesichter und versuchte, seine Tribünennachbarn aufzumuntern: „Feuert an, sisplau“, rief er in rudimentärem Katalanisch. Die Ansprache machte ihn zum Kulthelden, der seither mit Trommel den Animator in dem kleinen Estadi Montilivi gibt.

Außerdem wissenswert über Girona: Bei den letzten Regio­nalwahlen stimmten in der prachtvollen Provinz zwischen Costa Brava und Pyrenäen mit 65 Prozent so viele Menschen wie nirgends sonst für Parteien, die die Unabhängigkeit von Spanien anstreben. Nicht zuletzt kommt aus der Stadt auch Kataloniens Präsident Carles Puigdemont, der am 1. Oktober gegen den Widerstand der spanischen Zentralregierung und fast aller Verfassungsjuristen ein Referendum über die Abspaltung durchziehen will. Beim Girona FC ist der ehemalige Bürgermeister Ehrenmitglied, und als im Juni erstmals der Aufstieg in die Primera División gelang, jubelte Puigdemont: „Das zeigt, dass nichts unmöglich ist.“

Demgegenüber bemüht sich der Klub zwar um einen unpolitischen Kurs – und doch könnte ironischer kaum wirken, dass ausgerechnet dieses so auf seine Wurzeln bedachte Girona nun als Speerspitze einer neuen Globalisierungsstufe des Fußballs daherkommt. Seit dieser Woche hat der Klub neue Besitzer: Zu jeweils 44,3 Prozent übernahmen ihn City Football Group und Girona Football Group.

Hinter Ersterer steht das Fußballportfolio des Scheichs von Abu Dhabi mit Manchester City als wertvollster Marke, aber auch Vereinen in den USA (New York City), Australien (Melbourne City), Uruguay (CA Torque) und einer Beteiligung in Japan (Yokohama Marinos). Letztere wiederum gehört Pere Guardiola, Bruder von Manchesters aktuellem Trainer Pep und Berater von Stars wie Andrés Iniesta oder Luis Suárez. Seine Agentur Media Base Sports zählt zum Imperium des in Barcelona ansässigen Konzerns Mediapro, der in Joint Venture mit dem katarischen Al-Dschasira in Spanien die wichtigsten nationalen und internationalen Fußballrechte vertreibt. Investor, Spieleragent, Fernsehen – die heilige Dreifaltigkeit des Fußballbusiness.

City kann seine ­besten Talente in der Primera División testen oder sie zum Verkauf feilbieten

Ob Girona nun bald von seinen traditionellen rot-weißen Trikotfarben auf das Himmelblau-Weiß der City-Group umstellen wird (die Auswärtsleibchen sind bereits angepasst), war vorerst nicht zu erfahren. Zur Erklärung der neuen Eigentümerstruktur, die eine schon länger bestehende Kooperation formalisiert, beschränkte sich der Verein auf eine Pressemitteilung und selbst gedrehte Videobeiträge. In denen versichern alle Beteiligten das Ziel, Girona fest in der Primera División zu etablieren. Trotz vergleichsweise geringer Tradition und bescheidener Infrastruktur – das Montilivi wurde nach dem Aufstieg mit Zusatztribünen von gut 9.000 auf 13.000 Plätze aufgestockt –, kann es am Gelingen dieses Vorhabens kaum Zweifel geben. Zwar setzte Trainer Pablo Machín beim 2:2 vorigen Samstag gegen Atlético Madrid noch auf Aufstiegshelden und Neuzugänge mit Erstligaroutine. Darüber hinaus hat er jetzt aber ein paar wahre Juwelen im Kader. Sechs Profis verlieh Manchester City diesen Sommer nach Girona, darunter den Brasilianer Douglas Luiz, für den es gerade erst 12 Millionen Euro an Vasco da Gama überwies, oder den Nigerianer Larry Kayode, letzte Saison österreichischer Torschützenkönig. Girona als hochkarätigstes Farmteam des Kontinents: Gegenüber dem bisher explizitesten Franchise-Modell der Red-Bull-Klubs Leipzig und Salzburg oder Citys zweiter Parkstation beim holländischen Erstligisten Breda bedeutet ein ­spanischer Erstligist einen gewaltigen Qualitätssprung: City kann seine ­besten Talente nun im zuletzt regel­mäßig stärksten Championat Europas testen. Oder, wenn es einen Spieler verkaufen will, ihn dort gut feilbieten.

Der Dienstweg könnte angesichts der familiären Bande nicht kürzer sein, zumal City-Geschäftsführer Ferran Soria­no als Ex-Finanzchef von Barça auch aus der Gegend kommt. Für ihre Geschäfte muss die katalanische Connection eigentlich nur jene Unabhängigkeit fürchten, für die Pep Guardiola öffentlich eintritt. Könnte Girona im Falle einer Abspaltung nicht mehr in der spanischen Liga spielen, wären alle Vorteile des neuen Projekts dahin.

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