fusion geplatzt: SIEG DER VERLIERER
Hach ja. Was für eine lustige Nachricht, wenn man nicht in der Vorstandsetage der größten deutschen Bank in Frankfurt am Main sitzt: Die Fusion von Deutscher und Dresdner Bank ist geplatzt. Diese Meldung jagte gestern Nachmittag mit der höchsten Priorität („1“) durch die Nachrichtenticker und löste spontane Schadenfreude bei allen aus, die sich sonst zu den Verlierern der Deutschland AG zählen dürfen. Das ist vielleicht die Lehre aus dieser gescheiterten Fusion: wie mächtig die scheinbaren Verlierer sein können.
Gerächt haben sich zunächst jene, die intern das Nachsehen gehabt hätten: die Investmentbanker der Dresdner Bank. Sie brachten die Fusion – „mit sofortiger Wirkung“ – zum Scheitern. Sie wehrten sich gegen das „Raubrittertum“ und wollten ihre millionenschweren Kundenkontakte nicht an die Deutsche Bank verlieren. Dank der Fusion war das zwar nicht mehr die Konkurrenz, aber was bedeutet das schon im Zeitalter des Wettbewerbs der firmeninternen „Profit-Center“. Es war allen Beteiligten klar: Wer die „heißen Kunden“ hat, der hat die Macht. Es ging also um das Ewige im Wirtschaftskrimi: um Macht und Einfluss, um Karrierechancen und nicht zuletzt den eigenen Arbeitsplatz.
Mächtige Verlierer waren aber auch die „armen“ Kunden, die weniger als 200.000 Mark Bankvermögen besitzen. Sie umschlang kein Band der Sympathie mehr. Doch statt sich ordentlich zu schämen, dass sie so bedürftig sind, machte sich diese Kundenschar einfach selbstständig. Man wechselte nicht klaglos zur Bank 24, wie von den Fusionären vorgesehen, um dort seriell verwaltet zu werden. Man entschwand lieber gleich zu anderen Instituten, die eigens Werbekampagnen für diese enttäuschten Sympathie-Verlierer starteten.
Wie sich zeigt, gibt es den „Synergieeffekt“ als solchen nicht. Fusionen sind extrem riskant und kein reines Spiel der Mathematik. Es reicht nicht, sich auszurechnen, an wie vielen Straßenecken Deutschlands die Dresdner und die Deutsche Bank doppelt präsent sind. Denn in der Dienstleistungsbranche, anders als im produzierenden Gewerbe, gilt das Gesetz der Masse nur bedingt. Zunächst gibt es nur den Kunden und seinen Berater sowie das Vertrauen zwischen ihnen. Wenn dieses Verhältnis massiv gestört wird, ist der Umsatz leider hin. Und so ist die Deutschland AG doch viel menschlicher, als man zwischendurch befürchten konnte. ULRIKE HERRMANN
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