frankie goes to edmonton: Begnadete Hüpfer: Edwards und Dragila
For Heaven’s Sake
Vielleicht ist es ja so, dass ganz dort oben einer sitzt, der die Talente verteilt an die Menschen da drunten auf der Erde. Dem einen gibt er die Fähigkeit mit auf den Weg, besonders gut Musik machen zu können, der andere tut sich dafür leicht im Erlernen von Sprachen, ein Dritter wiederum ist handwerklich so begabt, dass der Nagel schon in der Wand verschwindet, wenn er ihn nur anschaut, ganz ohne Hammer. Und noch ein anderer kann einfach hüpfen, hüpfen wie ein Känguru. Der Mann heißt dann Jonathan Edwards und kommt aus London.
In Edmonton, bei der WM der Leichtathleten, ist Jonathan Edwards gerade wieder Weltmeister im Dreisprung geworden, was keineswegs als Überraschung zu werten ist. 17,92 Meter hat er im großen Commenwealth-Stadium in die Sandkuhle gesetzt, mit nur drei Hopsern, die die Dreispringer hop, step und jump nennen. Das reichte, um mit läppischen 45 Zentimetern Vorsprung vor dem Schweden Christian Olsson den Titel zu holen, auch wenn die Weite für Edwards, immerhin schon 35 und mittlerweile grau meliert, noch nicht einmal außergewöhnlich ist, schließlich ist er achtmal schon in seiner Karriere 18 Meter oder mehr gesprungen (eine Marke, die außer ihm nur die US-Amerikaner Kenny Harrison, Willie Banks und Mike Conley erreicht haben, jeweils nur einmal allerdings), hält mit 18,29 m den Weltrekord und ist – selbstredend – auch Olympiasieger.
Natürlich steckt hinter diesen Erfolgen Arbeit, jede Menge Arbeit und hartes Training, auch bei einem wie Edwards. Und dennoch muss es etwas geben, was diesen menschlichen Gummiball besonders prädestiniert für diese technisch so anspruchsvolle Disziplin, auch hier bei der WM war das zu sehen: Die Konkurrenten laufen an, springen – hop, step, jump – landen, und man sieht ihnen dabei an, dass es sie Kraft kostet und anstrengt. Bei Edwards ist nichts zu sehen von Kraft und Anstrengung, sondern nur von Eleganz – und von Schwerelosigkeit. Genau so muss es sein: Wenn Edwards springt, knipst jemand die Erdanziehungskraft aus, nur für einen kurzen Hop-step-jump-Moment, und vielleicht ist es kein Zufall, dass der Brite ein sehr gläubiger Mensch ist und früher sonntags nicht an Wettbewerben teilgenommen hat, wegen Gott.
Eine engere Beziehung zu dem wird Stacy Dragila (USA) nicht nachgesagt, in Edmonton Weltmeisterin ist sie trotzdem geworden. Auf die Höhe von 4,75 Meter hatte sie die Latte legen lassen – und sich mit Stabes Hilfe prompt darüber katapultiert. Und selbst dass die Zweitbeste der Welt, die Russin Swetlana Feofanowa, es auf die gleiche Höhe brachte und damit ihren eigenen Europarekord um sage und schreibe 18 Zentimeter verbesserte, kann nicht an Dragilas Ausnahmestellung rütteln. Erst im April hatte die 30-Jährige in ihrer Heimatstadt Pocatello (Idaho) ihren eigenen Weltrekord auf 4,81 m gesteigert, es war dies schon das 15. Mal in Folge, dass sie es tat; und als beinahe selbstverständlich darf da gelten, dass sie als Titelverteidigerin und Olympiasiegerin nach Edmonton gekommen war. Letztendlich ist es ohnehin so, dass die 30-Jährige in ihrer eigenen Welt springt, weit entfernt – Feofanowa einmal ausgenommen – von allen anderen, zum Beispiel von den Deutschen Yvonne Buschbaum (7. mit 4,45 m) und Caroline Hingst (10. mit 4,25 m).
Vor allem aber springt Dragila mit ihren eigenen Stäben, was kein unwesentliches Detail ist bei den fliegenden Frauen: Denn je härter das Arbeitsgerät, desto besser die Chance auf große Höhen; natürlich springt Dragila die härtesten Stäbe überhaupt. Dass sie dafür auch die meiste Kraft und Schnelligkeit beim Anlauf mitbringen muss, hat nicht nur bei mancher Konkurrentin in der Vergangenheit den Verdacht genährt, Dragila setze noch ganz andere Dinge ein als nur ihr übergroßes Talent. Aber vielleicht ist da ja auch ein bisschen Neid mit im Spiel, so wie man ihn manchmal hegt, wenn jemand um so viel besser ist als man selbst. FRANK KETTERER
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