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Archiv-Artikel

folter in abu ghraib Wegsehen mit Methode

Nun ist es fast offiziell: Die Verfahren gegen die an den Folterungen im irakischen Abu-Ghraib-Gefängnis beteiligten US-Soldaten und Militärpolizisten kratzen lediglich an der Oberfläche eines Skandals. Die oberen Chargen der Befehlskette bis hinein ins Herz des Pentagons tragen zumindest eine Mitschuld. Die vom Verteidigungsministerium in Auftrag gegebenen Berichte gehen nicht so weit, den Offizieren vorzuwerfen, die Folter direkt angeordnet zu haben – sie sprechen von schlechter Führung und mangelnder Kontrolle. Man könnte auch sagen: Wegsehen mit Methode. Aber so weit wagen sich die Berichte nicht vor.

KOMMENTAR VON BERND PICKERT

Wirklich neu ist nicht viel. Wer den Taguba-Report, der schon vor rund einem halben Jahr fertig gestellt wurde, aufmerksam liest, wird in etwa zu den gleichen Schlüssen kommen. Politisch brisant ist hingegen der Zeitpunkt der Veröffentlichung. Immerhin stützen die Berichte den Grundtenor der Verteidigung der jetzt Angeklagten, sie hätten im besten Glauben gehandelt, sich im Einklang mit den Wünschen ihrer Vorgesetzten zu befinden.

Alles andere wäre auch schwer vorstellbar. Schon die Folterbilder selbst lassen kaum einen anderen Schluss zu, als dass zumindest innerhalb der Mauern von Abu Ghraib niemandem verborgen bleiben konnte, was mit den Gefangenen angestellt wurde. Es muss gewollt gewesen sein, dass die Beteiligten die Grenzen zwischen „erlaubten“ Verhörmethoden, Folter oder sexuellem Missbrauch großzügig übertraten.

Die politische Führung zeichnete ein düsteres Bild von der Niederträchtigkeit und Brutalität der Gefangenen, das leicht Rachegelüste weckte. Kein Wunder also, dass auch ein Charles Graner oder eine Lynndie England in den Gefangenen keine Persönlichkeiten mehr entdecken konnten, sondern bloßes Menschenmaterial, mit dem sie tun konnten, was sie wollten.

Die neuen Berichte tun gerade genug, um die US-Regierung in ihrem Impetus des über die Frevel seiner Untergebenen empörten Herrschers zu unterstützen. Immer noch heißt der Tenor, da hätten ein paar niedere Ränge verrückt gespielt und seien bedauerlicherweise nicht daran gehindert worden. Ein Fehler, eine Panne, ein Versäumnis. Wahrhaftig ist das nicht. Eine wirkliche Aufarbeitung des Skandals aber hieße, die menschenrechtliche Seite der US-Kriegspolitik insgesamt aufzuarbeiten. Und das müssen wohl andere tun.

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