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flusstanz – die heimsuchung

von RALF SOTSCHECK

Die Iren irrten, als sie glaubten, sie könnten die ganze Welt verseuchen und kämen selbst ungeschoren davon: „Riverdance“, das grässliche Tanzspektakel, gastiert nach der Welttournee zu guter Letzt in Dublin. Der Untertitel der Show lautet: „The Homecoming“. Das klingt wie „Heimsuchung“, und das ist es auch.

Der Riesenerfolg des Flusstanzes habe weniger mit einem kollektivem Verlust des Urteilsvermögens zu tun als vielmehr mit den Urinstinkten der Menschheit, meint der US-amerikanische Schriftsteller William McNeill: Der stampfende Rhythmus erinnere an den Herzschlag der Mutter, wie ihn der Fötus vernimmt. McNeills Mutter muss unter Bluthochdruck gelitten haben.

Der Musikkritiker Michael Seaver vergleicht das genau abgestimmte Hüpfen dagegen mit den Armeen Ludwigs XIV. Der Sonnenkönig ließ seine Soldaten solange drillen, bis sie die am meisten gefürchtete Truppe in Europa waren. Diesen Ruf hat heutzutage das Riverdance-Ensemble. Seaver meint, auch die Nazis hätten ihre Freude an den zähen Tänzern und Tänzerinnen gehabt.

Alles fing mit einem Pausenfüller an. Damals, 1994, als Irland wieder einmal das Eurovisions-Kampfsingen austragen musste, weil man den Wettbewerb ein Jahr zuvor gewonnen hatte, trat die Original-Flusstanztruppe auf, um die Wartezeit bis zur Punktwertung zu verkürzen. In sieben Minuten war der Pausentanz damals vorbei, und niemand ahnte, was Komponist Bill Whelan angerichtet hatte. Am nächsten Tag war „Riverdance“ Gesprächsthema an den Theken Europas, und im Vergleich zu den grässlichen Liedern, die beim Wettsingen geboten wurden, empfand man den Tanz zunächst als ganz angenehm.

Das änderte sich geschwind. Während der Schlagerwettbewerb nur einmal im Jahr stattfindet, gab es vor dem Flusstanz kein Entrinnen. In Supermärkten und auf dem Flughafen, in den Neun-Uhr-Nachrichten und in jeder verdammten Musiksendung wurde das Stück gespielt. Was lag näher, als es auf abend- und kassenfüllende Länge zu dehnen? Michael Flatley und Jean Butler sind damit reich geworden, und weil beide geldgierig sind, zerstritten sie sich und gründeten ihre eigenen Shows.

Dass man mit Geld keinen Verstand kaufen kann, beweist der Fall Flatley. Der Flachkopf ernannte sich zum „Lord of the Dance“ und zog mit einer deart einfältigen Show herum, dass es einem den Atem verschlägt. Das Bühnenbild wäre selbst einer Blindenschule peinlich.

Inzwischen gibt es viele Nachahmer – „Feet of Flames“, „Rhythm of the Dance“, „River of Sound“, „River of Flames“. Ein Wunder, dass die berühmte US-amerikanische Fleischbrötchenkette noch nicht auf den Riverburger gekommen ist.

Flatleys Flussgehüpfe ist schuld daran, dass die US-Amerikaner glauben, das Leben in Irland sei ein einziger langer Tanz, bei dem kräftige Bauernburschen die rothaarigen Mädels durch die Luft wirbeln, während der Leprechaun, der kleine grüne Kobold, zwischen Kleeblättern auf der Blechflöte ein Klagelied intoniert. Möge er Flatley die Beine brechen.

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