fischer auf usa-besuch : Unversöhnliche Interessen
Na also. Das Verhältnis zwischen Washington und Berlin scheint sich doch zu entspannen. Außenminister Joschka Fischer, der bei seinem letzten US-Besuch im Oktober nur seinen Amtskollegen Colin Powell zu sehen bekam, trifft jetzt bei seiner viertägigen Visite auch den Vizepräsidenten und die Sicherheitsberaterin. Wer weiß? Wenn er brav ist, schüttelt ihm vielleicht sogar der Verteidigungsminister die Hand. Es sieht so aus, als sei die US-Regierung bereit, den Kritikern des Irakkrieges zu verzeihen – allerdings unter einer kleinen Bedingung: Diese sollen genau jene Risiken und Kosten übernehmen, die sie vorher zu Recht als zu hoch bezeichnet hatten. Das macht die Sache schwierig.
Kommentarvon BETTINA GAUS
Auf schrille Töne verzichten derzeit alle Beteiligten. Die Interessengegensätze aber sind in den letzten Wochen nicht etwa geschrumpft, sondern sie haben sich vertieft. Wer in Berlin die Hoffnung gehegt hatte, so schlimm werde es im Irak vielleicht doch nicht werden und die USA wüssten schon, was sie tun, wurde inzwischen eines Besseren belehrt. Die Lage ist dramatisch, die Zukunft ungewiss, und fest steht nur: Es bleibt gefährlich, dauert lange und wird noch viel teurer als befürchtet.
Ein UN-Mandat für einen internationalen Truppeneinsatz könnten die USA jetzt, wo das Kind ohnehin im Brunnen liegt, vermutlich bekommen. Ob sie es wollen, ob sie also bereit sind, zumindest einen Teil ihrer Kommandogewalt abzugeben, steht auf einem anderen Blatt. Aber die Entwicklung in Afghanistan zeigt, dass ein von Machtkämpfen zerrissenes Land sich auch mit einem solchen Mandat nicht ohne weiteres von außen befrieden lässt, nicht einmal dann, wenn dort eine legitimierte Übergangsregierung amtiert.
Die USA haben niemals einen Zweifel daran gelassen, dass sie eine interessengeleitete Außenpolitik verfolgen. Deutschland tut das natürlich auch. Da jedoch die vermeintlichen deutschen Interessen zu zwei Weltkriegen geführt haben, sagen es die jeweiligen Bundesregierungen nicht so gern laut. Dabei sind die Fronten ziemlich klar: Ja, die Bundesrepublik wünscht gute Beziehungen zu Washington. Aber der Preis, den die USA dafür gegenwärtig verlangen, ist zu hoch. Das gilt umso mehr, als die Gefahr besteht, dass Aufräumhilfe als Ermutigung für weitere militärische Abenteuer verstanden wird. Falls Joschka Fischer die deutschen Interessen im Auge behält, wird er es schwer haben, sich in Washington angenehm zu machen.
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