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ex und pop (23): einmalundniewieder

von DIETRICH ZUR NEDDEN

Alles kurz und klein: Ich erinnere mich an Uli Becker und seinen Satz: „Bezahlt habe ich doch schon dafür, dann muss ich nicht auch noch hinfahren, oder?“ Ich erinnere mich, dass der Millennium Dome in London auch kein so doller Erfolg war. Und das Heilige Jahr im Vatikan? Ein Flop. Ich erinnere mich an die konsequenteste Präsentation, die der USA: Kein Nationenpavillon, aber überall McDonalds und Coca-Cola und IBM. Ich erinnere mich an das „Fremde oder Freunde, egal, hier ist das Knalltüten Konzert des Jahres“ mit tatsächlich Pur, Scorpions und Maffay. Ich erinnere mich an den erschöpften Besucher im „Planet of Visions“, der zur nörgelnden Restfamilie sagte: „Wenn ich hier schon drei Stunden warte, dann will ich auch alles sehen.“ Ich erinnere mich an die unglaubliche und letztlich ein ganzes liebenswertes Land zum Gespött machende Tatsache, dass es im Pavillon Irlands keinen Pub gab, keinen Bierausschank, nichts. Ich erinnere mich an einen Sonntagmorgen, als ich mitsamt Kleinfamilie in die letzten Atemzüge eines dreitägigen Raves geriet mitten in einem hektargroßen Labyrinth aus Maispflanzen. „Skurril“ ist gar kein Ausdruck. Ich erinnere mich an die Aussage der Expo GmbH, dass die angepeilte Zahl von 40 Millionen Besuchern vielleicht doch nicht realistisch war, aber die Pacht für die Gastronomen ging offenbar von 40 Millionen aus. Ich erinnere mich an den Eintrag im Besucherbuch von „Basic Needs“: „Shoes your life and wear it.“ Ich erinnere mich an ein Interview mit Joachim Gauck in der taz: „Natürlich wäre es mir manchmal lieber, wenn die Treuhandanstalt und Frau Breuel noch existieren würden. Dann würde sich das Hasspotenzial ein bisschen verteilen.“ Und dass ich dachte, der Mann hat ja keine Ahnung, Frau Breuel existiert. Ich erinnere mich an das Graffito auf dem Güterbahnsteig beim Neonlicht-Pavillon von Gerhard Merz. Da stand die Frage „Sieht so der Tod aus?“ und als multiple Antwortmöglichkeit neben „Ja“ und „Nein“ drittens „Nur ein schöner“. Ich erinnere mich an heillos übertriebene Versprechungen wie den „Skywalk“, ein Schlauch für Fußgänger zwischen Messe-Bahnhof und Expo-Eingang, etwa fünf Meter über Straßenniveau. Ich erinnere mich an das umfassende, Demenz dokumentierende „Chemidrom“ der deutschen Chemiewirtschaft: „Chemie ist Leben. Du bist Chemie“. Ich erinnere mich an eine gewisse „Birgit“ im Expo-Forum der Zeitschrift Brigitte, und dass ihr Sohn etwas „expo“ fand: „So wird bei uns alles bezeichnet, was nicht toll, aber auch nicht schlecht ist.“ Ich erinnere mich sehr gut an die Chaostage, die gar nicht stattfanden. Ich erinnere mich an Thomas Anders, den „Sänger“ von Modern Talking, der delirierend die Weltausstellung besang: „Ich meine Kritik, wir müssen alle mit Kritik leben, aber letztendlich sag ich mal, die Kritiker sollen es besser machen. Und ich finde es großartig, was hier entstanden ist, und wirklich ganz toll. Und ich hoffe, dass es wirklich Millionen und Abermillionen Menschen sehen können hier in Deutschland, und das ist einfach traumhaft.“ Alles andere habe ich aber auch nicht vergessen.

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