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ex und pop (10): wörterweltwind

von DIETRICH ZUR NEDDEN

Nun hat sich die Weltausstellung endlich ins Geschichtsbuch der Literaturkritik gleichsam einbeschrieben, um es mit einer ihr eigenen Phrasen zu sagen. Denn hier ward es Ereignis, das letzte Literarische Quartett, so wie wir es kennen. Löffler ist raus und kommt nit wieder, so dass es einmal heißen wird: „Expo? War das nicht die Veranstaltung, wo Reich-Ranicki und Löffler einander ihre sexuellen Vorlieben um die Ohren gehauen haben?“ Bücher und das Palaver darüber verändern die Welt, als ob es noch eines Beweises bedurft hätte.

Weil manches mit manchem zusammenhängt, nimmt die Literatur in dieser Woche einen enorm expandierenden Raum ein im Deutschen Pavillon. „Wörter:Welt“ nennt sich die Veranstaltungsreihe, die täglich sechs bis acht Programmpunkte präsentiert: „Gegen den Wind will sie Fährten legen zum Zuhören, Sprechen, Nachdenken, Fragen stellen“, heißt es in der Ankündigung. Da verwundert es nicht, wenn im Foyer ein Besucher zu seiner Begleiterin sagt: „Folg du der Fährte Richtung Zuhören, ich nehme dann die zum Nachdenken und warte da auf dich“, um sich stracks an die Bar zu begeben.

Thomas Kapielski eröffnete die Reihe „Deutsche Städte, deutsche Orte“ in guter Tagesform und nahm sich Hannover vor: „Was außer einem fetten Expo-Honorar bringt mich dazu, Hannover zu benedeien?“ Es folgte eine fundierte Analyse, eine vergleichende Studie des Tryptichons Hannover-Braunschweig-Berlin. Ein Zuhörer trug dazu ein T-Shirt mit dem Aufdruck „EXPO bedeutet LIEBE“, uneigentliches Sprechen im Textilformat sozusagen.

Es wird alles gut, seitdem die Besucherzahlen steigen. In der 8. Woche kamen 610.958 Besucher (100,63 % zur Vorwoche), in der 9. Woche gar 657.227 Besucher (107,57 % zur Vorwoche). Es waltet schiere Magie, wenn man neben die schnittigen Werbespots mit Verona Feldbusch und Peter Ustinov die Tatsache stellt, dass die drittletzte Haltestelle vorm Eingang Expo Ost „Feldbuschwende“ heißt.

Die Zahlen könnten noch gigantischer werden. Die Chaos-Tage sind da, ein Begriff, der von Hannover ausging und in den Wortschatz der Welt aufgenommen wurde. Glaubt man den Chaos-Web-Seiten, wird am Freitag ein Thema aufgewärmt, das ich nicht mehr erwähnen wollte. Christoph Schlingensief, der einer Gruppe Hamburger Punks seine Unterstützung beim Bau eines „türkischen pavillons“ vor dem Hauptbahnhof angeboten haben soll, habe sich mit den „aktivisten“, die ihn nun des „ideenklaus“ bezichtigen, zerstritten. Schlingensief wolle nun „ein eigenes pissoir“ errichten, woraufhin die Punks Schlingensief drohten, „man werde dem künstler aufs maul hauen“. Der wiederum: Seine Performance sei offiziell angemeldet und werde notfalls mit Polizeigewalt durchgeführt. Das bedarf weitergehender Recherche. Bis Ergebnisse vorliegen, seien die Herrentoiletten im Deutschen Pavillon empfohlen. Dort guckt man beim Pinkeln auf ein Schild: „Sie benützen ein wasserloses Urinal. Diese zukunftsweisende Technik spart tausende Liter wertvolles Trinkwasser während der Expo.“ Damit sollte der Fall erledigt sein.

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