eu-gipfel : Klüngel statt Demokratie
Der EU-Gipfel von Brüssel fand zwar keinen für alle akzeptablen Kommissionspräsidenten und tat sich auch mit einer griffigen Formel für den neuen Abstimmungsmodus schwer. An anderen Stelle zeigten die Herrschaften aber durchaus Entscheidungsfreude. In der Schlusserklärung, die ohne lange Debatten angenommen wurde, kommt die gemeinschaftliche Sicherheits- und Verteidigungspolitik einen großen Schritt voran. Mehr Datenaustausch, mehr polizeiliche Zusammenarbeit, mehr militärische Stärke – bis Ende des Jahres wollen die Regierungen dafür Strukturen schaffen.
KOMMENTARVON DANIELA WEINGÄRTNER
Mehr als die Hälfte der nach den Anschlägen von Madrid vereinbarten neuen Maßnahmen haben nicht die spezielle Bedrohung durch Terroristen, sondern Verbrechensbekämpfung allgemein im Visier. Da Verbrecher vor Landesgrenzen nicht Halt machen, sollten es Polizeibeamte, Juristen und Geheimdienstmitarbeiter auch nicht tun – so lautet die Begründung für den neuen Kooperationswillen.
So weit, so schlüssig. Bedenklich stimmt aber, dass die Kontrollinstanzen, die dafür sorgen, dass der Kampf gegen Terror und internationale Kriminalität demokratisch eingebunden bleibt, nicht im gleichen Tempo mitwachsen. Strafverteidiger beklagen, dass es keine Berufungsinstanz, keinen Ombudsmann, kein geordnetes öffentliches Verfahren gibt, wenn Verdächtige in das Raster der Terrorfahnder geraten.
So können zum Beispiel Konten schneller als früher und grenzüberschreitend eingefroren werden. Das engt die Schutzräume von Terroristen ein. Das kann aber auch die wirtschaftliche Existenz eines Menschen ruinieren, der nur versehentlich auf eine solche Liste geraten ist.
Es ist kein Zufall, dass die Regierungschefs sich leichter damit tun, die gemeinsame Exekutive zu stärken als die europäische Legislative. Als sie sich zum ersten Mal über den Verfassungsentwurf des Konvents beugten, strichen sie sofort und einmütig den Legislativrat. Er hätte als Gesetzgebungsorgan des Rats öffentlich tagen sollen und damit Licht in das Dunkel der Ratsentscheidungen gebracht. Auch der Einfluss des Parlaments wurde wieder gestutzt und das Entscheidungsverfahren im Rat komplizierter und undurchsichtiger gemacht.
Solange Diplomaten und ihre Chefs im Vertragsverfahren der EU das letzte Wort haben, wird sich daran nicht viel ändern. Wer lässt sich schon freiwillig gern in die Karten schauen.