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Archiv-Artikel

essen, trinken, sprachgehacktes von WIGLAF DROSTE

Eine Reise im Mai 2003, beim Umsteigen im Hauptbahnhof Karlsruhe begegne ich – Ben Becker? Erfreulich lange hatte ich den aufdringlichen Selbstdarsteller nicht mehr gesehen, zuletzt beim Blättern in einer Illustrierten, als Hemdenreklame. Und Becker ist jetzt in Karlsruhe? Das wäre gut, denn da bin ich selten. Kein Zweifel, er ist es, zwar nur als Großfoto, aber dafür gleich dreimal: Ben Becker in Fliegerjacke mit weißem T-Shirt drunter, Ben Becker im blauen Seemannspullover, Reißverschluss offen, und Ben Becker im Smokingjackett, die Fliege aufgebunden um den Hemdkragen baumeln lassend, wie man das auch auf Konzertfotos von Udo Jürgens oder Howard Carpendale sehen kann, und über jedem der drei O-Mann-bin-ich-männlich!-Bilder steht: „Mann. Ist das ein Bier. Ureich.“ Wärmend durchströmt mich Milde, und tiefe Menschenliebe. Wie schön, dass Ben Becker nach langem Irren und Suchen endlich die Rolle fand, die er künstlerisch tadellos ausfüllen kann: Einen Mann-ist-das-ein-Bier-Trinker, einen Biermann quasi, mimt Ben Becker voll überzeugend. Freundlich winke ich seinen Fotos adieu und schwebe zum Zug.

Beim Einkauf im Lebensmittelladen geht es von der zweiten Liga ins internationale Blendergeschäft. Die US-amerikanische Gewürzfirma Tabasco lässt ihren Produkten ein Faltblatt beilegen, das verführerisch klingen soll – frech und witzig, wie das in Werbersprech heißt. Der Text liest sich wie die Kontaktanzeige eines sensorisch rundum erledigten Mannes: „Peppagalli sind die streunenden Junggesellen, die Samstag vormittags eine fertige Pizza im Supermarkt kaufen und sie abends mit grüner Tabasco-Pfeffersauce und ein paar Extraschnitzen von grünem Paprika, Oliven, Brokkoli und Käse genussvoll verzehren.“ Genussvoll, klar, denn ohne Genussbehauptung geht nichts mehr, und schon gar keine Tiefkühlpappe die Speiseröhre hinab. So etwas will – nein: muss! muss! muss! – richtig genossen werden, Bissen für Bissen, unerbittlich, komm, ge-niiieeeß es, Baby!

Auf dass die Welt komplett sei und bleibe und sich immer weiterdrehe, braucht und gibt es auch eine weibliche Variante des modisch hippen Esstrottels. And here she comes: „Peppy woman ist die Frau, der es gelingt, mit Makkaroni und einer scharfen Sauce aus Olivenöl, gehacktem Knoblauch, knusprig gebratenen Speckwürfeln, einer Hand voll Kräutern und Tabasco rot den Mann fürs Leben zu finden.“ Hey super, cool! Der Mann fürs Leben ist – wie praktisch! – genau der Peppagalli von nebenan, und nach der gemeinsamen Pizza-Mülleinfuhr und dem Genussausstellen zu zweit, nach Schlangenfraß bei Candle-Light, nach dem „Aaah …“- und „Oooh …“- und „Mmmh …“-Getue, erzeugen die beiden Genusssimulanten dann noch einmal ganz ähnliche Geräusche und klempnern ratzfatz ein paar knusprig-scharfe Peppa-Peppy-Kids zusammen.

Und wenn sie daran nicht gestorben sind, dann heißen sie McDonald’s – und süppeln ein Beckers Ben, das ein Mann von einem Bier ist und ein Bier von einem Mann.