eject: JENNI ZYLKA über Insight und so
Mysteriöse Formate, die sich als Werbung tarnen
Von einer Analyse der immer wieder gern belächelten Dauerwerbesendungen (die Texas-Range Chuck Norris pumpt im Fitnesstudio Brustkörbe auf, überkandidelte Amis mit unglaublichen Synchronisationsstimmen preisen den „Smaaaart Mob!!!“ an) soll hier mal abgesehen werden, auch von den neuen 24-Stunden-Shopping-Kanälen.
Sondern um diese ganz speziellen Shows geht es. Shows, die schon seit Jahren heimlich altbackene Werbeformate unterwandern. Shows, die etwas anderes zu bedeuten scheinen. Ja, Shows, die so gut sind, dass sie in den Himmel kommen. Zum Beispiel der „Insight“-Film. Die „Insight“-Kulisse stammt aus der Anfangssequenz von „2001 – Odyssee im Weltraum“ oder ist mindestens von einem Alan-Parsons-Project- oder Pink-Floyd-Plattencover geklaut: Ein Mann, der mysteriöserweise (Zufall?) aussieht wie Leonard Cohen, fährt in einem Sportwagen durch eine apokalyptische Landschaft, bis er sich vor zwei Monumentalboxen setzt. Dazu läuft schlimme Musik aus der oben erwähnten Zeit. Aber glücklicherweise nur kurz, denn schon bald wird sie durch eine Art römische Imperialistenfanfare ersetzt, die über dem Bild der beworbenen CD-Box hinwegtrötet. Dazu sagt eine Stimme: „Insight. Wir verstehen etwas von guter Musik, wenn wir sie hören.“
Und wir verstehen etwas von guten, hintergründigen Shows, wenn wir sie sehen. Wenn wir sie nicht sehen, dann denken wir über sie nach. Wir wundern uns darum auch gar nicht, dass die „Insight“-Verkäufer neuerlich den Zusatz „. . . wenn wir sie hören“ weggelassen haben. Zusammen mit dem Pink-Floyd-Cover und dem Cohen-Double kam der wohl einfach zu hintergründig.
Aber auch andere Produktanbieter machen hintergründige Shows. Was will uns denn zum Beispiel wohl die „Wassermax“-Werbung sagen, in der eine Laienspielgruppen-Familie vor einem künstlichen Rasenhintergrund einen Sketch oder eine kleine Szene aufführt, in dem alle Mitglieder verschiedene Getränke wollen? Der gespielte Witz gipfelt in der Frage des Hausherren „Hast du auch Bitter Lemon?“. Geradezu übermächtig drängt sich hier der Familientherapievergleich auf. Ob die Fall-Familie sich über die Getränkediskussion mit einer oder mehreren schwierigen Krisen auseinandersetzt (überforderte Mutter, hyperaktive Kinder, Vater hat eine Geliebte oder Angst vor Nähe)?
Wo wir schon mal dabei sind: Die Unterwanderung der Haushalte durch Sendungen mit psychologischen, ja sogar parapsychologischem Inhalt findet auch in nicht offensichtlichen Werbefilmen statt. So ist „Streit um Drei“ im ZDF nichts anderes als eine Aneinderreihung nachgespielter zwischenmenschlicher Szenen, in der es zweifellos um Probleme in der Metakommunikationsebene geht. Gehen muss. Um echte juristische Probleme geht es jedenfalls nicht.
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