eject: HELMUT HÖGE über Kampfhunde und Kampfpresse
Spiralistische Kettenreaktion
Es gibt so ’ne und solche Journalisten. So `ne recherchieren und versuchen dabei Neues zutage zu fördern. Solche lesen den täglichen Schrott und filtern dabei das Beste heraus. Weil sie meinen zu wissen, was den Leser wirklich interessiert, sind sie extrem vom Charisma des Chefredakteurs abhängig und also autoritär, um nicht zu sagen faschistisch dispositioniert. Deswegen oder des ungeachtet sind sie jedoch manchmal auch extrem erfolgreich, das heißt nahe am Ball. Diese Nähe läßt sich als eine spiralistische Kettenreaktion darstellen – nach Art des gleichnamigen Films der Schweizer Künstler Fischli und Weiss, der auf der vorletzten Documenta für Furore sorgte:
Lehrer verging sich an Schülerin (Bild v. 21.2.)/ Lehrerin von Schüler erschossen (BZ v. 23.2.)/ Schüler von Kampfhund zerrissen (Kurier v. 26.2.)/ Kampfhund von Polizist getötet (Bild v. 5.3.)/ Drei Polizisten bei Verkehrskontrolle ermordet (BZ v.9.3.)/ Türke aus Nervosität bei Polizeikontrolle erschossen (Kurier v. 13.3.)/ Fünf englische Hooligans in Türkei schwer verletzt (Bild v. 26.3.)/ England droht Rausschmiß aus EM wegen Hooligans (Kurier v. 1.4.)/ Türkische Hooligans werden nach EM-Siegen zum Problem (Bild v. 4.4.)/ Schily für Aufenthaltsverschärfung (BZ v. 18.4.)/ Welfen-Prinz pinkelt an türkischen Pavillon (Kurier v. 22.4.)/ Berlin privatisiert Abschiebeknäste (Bild v. 27.4.)/ 6 Deutsche als Geiseln philippinischer Gangster (BZ v. 29.4.)/ Deutsche Verbrechen in Griechenland vor Aufklärung (Kurier v. 2.5.)/ Zwangsarbeiter bekommen Riesen-Entschädigung (Bild v. 9.5.)/ Mick Jagger muß 20 Millionen zahlen (Kurier v. 11.5.)/ Benzin wird wieder teurer (BZ v. 15.5.)/ Stasiforscher schändeten Goethe-Leiche (Bild v. 18.5.)/ Kranker Mielke von Ehefrau rausgeschmissen (Kurier v. 21.5.)/ US-Geheimdienst verläßt Teufelsberg (Bild v. 23.5.)/ Papst deckt 3.Wunder von Fatima auf (BZ v. 26.5.)/ Krebs endlich heilbar (Kurier v. 27.5.)/ Gesunde Brust amputiert (Bild v. 29.5.)/ Schwule dürfen heiraten (Kurier v. 3.6.)/ Pornos im SPD-Computer (Bild v. 5.6.)/ Bundeskanzler auf der Expo: „Ohne Polen wären wir verloren!“ (Kurier v. 8.6.) Holocaust-Opfer drohen mit Klage (Bild v. 10.6.)/ Indien zieht Computeringenieure zurück (BZ v. 12.6.)/ Putsch auf den Fidschis (Bild v. 14.6.)/ Meteorologen prophezeien Klimakatastrophe (Kurier v. 17.6.)/ Alle Kampfhunde töten! (Bild v. 27.6.) Muss auch dieses süße Pitbull-Baby sterben? (BZ v. 3.7.)
Genug! Aus all dem geht bereits hervor: Nicht die Kampfhunde, sondern diese Kampfpresse ist das wirkliche Problem. In Anlehnung an einen Kommentar von Eckhard Fuhr (FAZ v. 28.6.) möchte ich daher folgenden Vorschlag zur Güte machen: „Es wäre ein Gebot der öffentlichen Sicherheit und des sozialen Friedens, den Teil der dem Kampfpresse-Typ entsprechenden Journalisten so schnell wie möglich auszurotten. (...) Erst eine letzte kühle Distanz macht Journalistenliebe wirklich human.“ Noch „humaner“ wäre freilich eine Verwirklichung der alten SDS-Forderung: „Enteignet Springer!“
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