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ejectSILKE BURMESTER über Gut, Böse und Roger Willemsens einfühlsame Fragetechnik

Zungenschlag für die Recherche

Die Sonne des vergangenen Wochenendes brachte es an den Tag: Roger Willemsen, der für seine einfühlsame Fragetechnik gerühmte und gleichzeitig gefürchtete Gutmensch des ZDF, knutscht mit Kerstin aus dem „Big Brother“-Haus! Nun mögen Elbspaziergänger rätseln, ob es wirklich Kerstin war oder nur eine, die so aussieht wie das blonde Containerchen. Immerhin, wie man weiß, arbeitet Willemsen an einem Buch zu ebenjener Sendung.

Und das passt wieder ins Bild. Schließlich hat Willemsen seinen Dr. phil., und da ist es nur konsequent, den Kunstphänomenen der Zivilisation auf den Grund gehen zu wollen. Ein Tête-à-tête mit „Kerstin“ wäre dann „Zungenschlag für die Recherche“, sozusagen. Apropos Bild: Kaum war das Wochenende vorbei und die Sonne wieder weg, hatte Springers erstes Blatt tolle neue Fotos von Jenny Elvers und „Alex“ – und, wohl erstmals in Bild: ARD-Nachrichtensprecher Jens Riwa mit „Verena“. Ja, aber der ist doch schwul, werden manche einwenden. Und andere, dass man das nicht ungestaft behaupten darf. Schwul oder nicht schwul, Kerstin oder nicht Kerstin, Fakt ist, dass das, was vom Container übrig blieb, von großer Anziehung für jene ist, deren täglich Brot die tägliche Medienpräsenz ist. Und das überrascht dann doch ein wenig. Nicht bei Jenny Elvers, doch zumindest bei einigen jener, die rein öffentlich-rechtlich auf der „anderen Seite“ der „Big Brother“-Debatte zu stehen hätten. Schließlich hatten die Medien die Welt wochenlang in „Container“ und „Nichtcontainer“ geteilt, in „RTL“ und „das Gute“. Und nun das. Kaum ist der Container dicht und sind die letzten Schamhaare aus den Ecken gekehrt, wird jede Hürde abgebaut. In völliger Distanzlosigkeit werden Hirnschranken niedergerissen wie einst die Berliner Mauer. Keinem ist mehr irgendwas heilig, jeder macht mit jedem rum. Auch ist sich keiner für irgendwas zu schade. Männer und Frauen, die sich auf ein Isolationsabenteuer eingelassen haben, verlassen die Blechhütte, reduziert auf den Vornamen und mutiert zur Marke. Sie tingeln durch die Diskos der ländlichen Republik und werden zu Vehikeln deutscher Fernsehpromis mit Imageproblemen.

Und die deutschen Fernsehpromis mit Imageproblemen? Sie zeigen deutlich, dass die vermeintliche Kluft zwischen Gut und Böse, zwischen hoher und niedriger Fernsehkultur so groß gar nicht ist und „alles in jedem steckt“. Das ist wie beim Boxen: Kaum ist irgendwo Krieg, sind alle furchtbar entsetzt. Kann man im Rahmen von „Boxen“ zusehen, wie jemandem „nach Regeln“ das Blut aus dem Kopf geprügelt wird, ziehen sie sich ihre schicksten Kleider an und finden es unterhaltend. Der große Bruder hat eine Familie. Halbgeschwister, die gern mitspielen möchten. Das soll uns nicht erschrecken. Das soll uns amüsieren. Denn dafür sind sie da, die Fernsehleute diesseits und jenseits der Container-Absperrung. „Kerstin“, so meldet Focus, hat übrigens nicht länger Lust, sich von der Produktionsgesellschaft Endemol vermarkten zu lassen. Sie wechselt zu einer Schauspielagentur.

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