eject: ARNO FRANK über Sommerlöcher und Rufmorde
„Darf man nie drauf schlagen, sie zerbrechen dann“
Niels war ein böser Junge. Dieter, sein Chef, sah das gar nicht gerne und setzte ihn vor die Tür. Ariane war ein böses Mädchen. Ihr Chef Helmut sah das auch nicht gerne und setzte Ariane vor die Tür. Die erste Begebenheit trug sich beim Musiksender Viva zu, die andere beim Nachrichtenkanal n-tv. Lernen lässt sich aus beiden, wie die Pubertät das Fernsehen erobert.
Niel Ruf – charmant, gut aussehend, 28 Jahre alt – ist von Viva einmal angeheuert worden, um zwischen zwei Videoclips dem wankenden mitteleuropäischen Wertekanon ein paar Schubser zu verpassen. Er deutete Sex mit Kinderpuppen an (bei RTL), riss Witze über den Hautkrebs einer Kollegin (auf einer privaten Party) oder fütterte halbnackte Models mit Gummibärchen (in seiner Sendung „Kamikaze“). Irgendwann erkannte auch Bild das Rufsche Erregungspotenzial, schürte Entrüstung und bescherte ihm kostenlose Publicity als „TV-Rüpel“. Weil es aber nicht leicht ist, „immer 16 Jahre alt zu bleiben“ (Ruf), hat ihn Dieter Gorny im Juni gefeuert: „Das hat nichts mit dem zu tun, was ich mir unter Viva vorstelle.“
Ariane Sommer – charmant, gut aussehend, 25 Jahre alt – hat’s einfacher. Sie ließ eine „Benimm-Bibel“ schreiben, mit vielen nützlichen Tipps für die Barbie-Puppe von Welt. Wahlweise als „Partygirl“ oder Szeneluder“ steht sie ansonsten dekorativ auf Empfängen herum – im Gegensatz etwa zu n-tv-Chef Helmut Brandstätter, der dort meistens eher repräsentativ herumsteht. Man kommt also ins Gespräch und kurz darauf ins Fernsehen: „Lebensart“ nennt sich ihre n-tv-Sendung, die ihr zum 1. September schon wieder abgenommen wird. Brandstätter hatte sich über Sommers Schenkel „geärgert, die ihm aus der Zeitung entgegensprangen“. Und vielleicht auch ein bisschen über die maue Quote.
Mit lustigen Streichen und unbeschwertem Schwanzhumor spielt Ruf den sackkratzenden 16-Jährigen. Sommer dagegen gibt die eitle 16-Jährige, die für ihre adretten „Umgangsformen“ zur Dame geadelt werden möchte. Beide passen sie perfekt auf den Bildschirm – oder in bildschirmbegleitende Medien wie Bild. Wer auf dem Dorf der Proll oder die Schlampe war, der ist in der medialen Öffentlichkeit eben Ruf oder Sommer.
Opfer sind sie beide. Wenn Ruf im September wieder auf Sendung geht, dann deswegen, weil Viva der Wirbel quotentechnisch nur recht sein kann. Und wenn der Chefredakteur des Nachrichtensenders darüber plaudert, Frau Sommer könne ihre Beine gar nicht weit genug spreizen, werden die entwaffnenden Mechanismen eines Systems offenbar, das sich aus sich selbst speist: Dummheit verkauft sich besonders im Fernsehen bestens – und wenn’s schief läuft, verkauft sie sich sogar noch besser. Humorlos und frühvergreist wirkt, wer dieses Treiben zu kritisieren wagt. Dann merkt Ruf plötzlich, dass er doch „nur ein fuckin’ VJ“ ist. Und Sommer tröstet sich mit Käsetorte: „Dann ging’s mir besser.“ Das rührt an: „Sind so kleine Hände, fassen alles an, darf man nie drauf schlagen, sie zerbrechen dann.“
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