einschulung: Drängelei am Schuleingang
In den Babyboom-Kiezen wie Prenzlauer Berg oder Mitte platzen die Grundschulen aus allen Nähten. Eltern demonstrieren für die Aufnahme an ihrer Lieblingsschule - oder gründen neue Schulen.
Für die Generation 2002 liegt der Schulanfang zwar noch in weiter Ferne, doch der Kampf um die besten Plätze hat bereits begonnen. Eltern, deren Kinder im nächsten Jahr sechs werden, müssen diese bis zum Ende der Woche an einer Grundschule angemeldet haben. Und während DirektorInnen im Wedding um Schüler werben, drängeln sich in Babyboom-Kiezen wie Prenzlauer Berg, Mitte und Friedrichshain die Eltern in den Schulfluren. So bewerben sich an der Homer-Grundschule in Prenzlauer Berg 100 Eltern um halb so viele Plätze. "Wir bräuchten noch zwei bis vier Schulen zusätzlich", sagt die Pankower Schulstadträtin Lioba Zürn-Kasztantowicz (SPD).
Der Platzmangel an Grundschulen ist kaum auf steigende Berliner Geburtenzahlen zurückzuführen: Im Jahre 2002 sind mit 28.800 Babys nicht einmal 200 mehr als im Vorjahr zur Welt gekommen. Jedoch ist der Kleinkinderanteil in einigen Bezirken in den vergangenen Jahren rasant gewachsen. Den Bezirken obliegt es, ausreichend Grundschulplätze zur Verfügung zu stellen, sie zögern aber, neue Gebäude bauen zu lassen. Stattdessen setzen die Verantwortlichen auf preisgünstigere Zwischenlösungen wie Container und hoffen darauf, dass die genervten Eltern ihre Kinder auf Privatschulen schicken. Zudem können Eltern ihre Kinder seit dem vergangenem Jahr auch an Schulen anmelden, die nicht im amtlich festgelegten Einzugsbereich liegen.
In der Folge gestaltet sich die Suche nach der passenden Schule wie eine Wohnungsbesichtigung mit 50 Bewerbern. Das zuständige Schulamt Pankow etwa lädt die Eltern, die sich für die Homer-Grundschule bewerben, zum Vorstellungsgespräch: "Wir werden mit allen Eltern Anhörungen durchführen, damit sie ihre Schulwahl begründen können", sagt Zürn-Kasztantowicz. Im Schulgesetz ist festgelegt, dass Elternwünsche berücksichtigt werden müssen, etwa nach einem bestimmten Schulprofil, Freundschaften zu anderen Kindern und praktische Gründe wie ein kürzerer Schulweg. Bevorzugt müssen die Schulen allerdings jene Schüler aufnehmen, die in den jeweiligen Einzugsgebieten wohnen.
In der bei den Eltern beliebten Grundschule am Arkonaplatz in Mitte findet der Religionsunterricht mittlerweile wegen Überfüllung in der Turnhalle statt. Im Einzugsgebiet der Papageno- und Kastanienbaum-Grundschule hat sich die Zahl der Schulanfänger mit steigendem Sanierungsgrad verdoppelt: von 80 im Jahre 2000 stieg sie auf 160 im vergangenen Jahr.
Die Statistiken zeigte Schulstadträtin Dagmar Hänisch (SPD) Eltern bei einer Podiumsdiskussion im Oktober (taz berichtete). Hänisch und ihre Mitarbeiter versuchten das Platzproblem elegant zu entschärfen, indem sie die Grenzen der Einschulungsbezirke verrückten und einige Straßenzüge Weddinger Grundschulen zuschlugen. Denn an der einen Kilometer entfernten Gustav-Falke-Grundschule in Gesundbrunnen sind von möglichen 589 Plätzen derzeit nur 375 belegt. Doch die Eltern machten da nicht mit und gründeten stattdessen eine Elterninitiative "Schule im Kiez". "Die Kinder aus dem Wedding sollten lieber nach Mitte kommen", sagt eine der Betroffenen. 85 bis 90 Prozent Schüler nichtdeutscher Herkunftssprache hätten überhaupt nichts davon, wenn in jeder Klasse ein oder zwei deutschsprachige Kinder säßen. Umgekehrt würden aber im Wedding die deutschen Kinder weniger lernen, befürchten die Eltern.
Nun soll ein Kompromiss her: Im nächsten Jahr wird eine Schulfiliale in der Koppenstraße in Mitte eröffnet, vorausgesetzt, es gibt mindestens 50 Anmeldungen. "Wir werben bei den Eltern, die neue Schule zu unterstützen", so die Elternvertreterin.
Weniger glücklich sind die SchulleiterInnen im Wedding (siehe Interview). So befürchtet man an der Gustav-Falke Grundschule bereits, dass Klassen wegen Schülermangel zusammengelegt werden müssen.
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