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einsatz in manhattanUrheberrechtlich ungeschützte Liebe zur Stadt

I love NY

Vom 26. Oktober bis zum 3. November beteiligen sich über 150 Galerien New Yorks am „I love NY-Art Benefit“. Der Erlös aller in dieser Zeit verkauften Kunstwerke geht zu einhundert Prozent an die Familien der Opfer des 11. September. Galerien stellen ihre Räumlichkeiten zur Verfügung, die von ihnen vertretenen Künstler haben ihre Werke gestiftet, und auch die Kunstspediteure nehmen den Transport der Exponate auf ihre eigene Kappe.

Die Idee zum Benefiz kam dem mit zwei Dependancen in Soho und Uptown ansässigen deutschen Galeristen David Zwirner beim Joggen. „Erst war der Gedanke da, dass man etwas tun muss. Darauf folgte dann die Eingebung, was zu tun ist.“ Ursprünglich nur für seine Galerie planend, war Zwirner zunächst vom breiten Zuspruch seiner Künstler überrascht. „Dass die Amerikaner was machen würden, war klar. Aber auch die europäischen Künstler waren sofort bei der Sache und sagten Werke zu.“ Dann machte das Wort in der Galerienszene die Runde, und schon äußerten täglich Dutzende von ihnen den dringlichen Wunsch, dabei sein zu wollen. Mit der Robin Hood Foundation, die seit 1988 gemeinnützig die Armut in New York bekämpft und seit dem 11. September bereits viele Fundraiser organisieren half, hat sich Zwirner die Idealbesetzung für die reibungslose Durchführung des „I love NY-Art Benefit“ ins Haus geholt.

„New York City hat sich auf lange Sicht verändert“, fürchtet Zwirner. Der von ständig neuen Höchstpreisen verwöhnte Kunstmarkt ist dabei gleichfalls betroffen. Die Benefizaktion soll auch helfen, die Sammler wieder in die Galerien zu holen. In dieser schwierigen Zeit steht die ungewohnte Non-Profit-Attitüde dem kommerziellen Kunstmarkt mit seinem harten Konkurrenzkampf gut.

Auch Robert Rauschenberg, neben Jasper Johns wohl New Yorks bekanntester Künstler der Seniorenliga, will helfen. Im Rahmen des „I love NY-Art Benefit“ hat er ein etwa ein Meter mal 50 Zentimeter großes Poster entworfen, das für 35 Dollar in der regulären und für 2.500 Dollar in einer limitierten Edition von 300 Stück zu haben ist. Das Design zeigt die Freiheitsstatue, die eben dort das World Trade Center im Arm hält, wo sonst eine Steintafel den 4. 7. 1776 vermerkt – das Datum der amerikanischen Unabhängigkeitserklärung. Von Darstellungen als Phönix aus der Asche (mit den Rauchschwaden des WTC im Hintergrund) oder als wehrhaftes Symbol mit erhobener Protestfaust ist Lady Liberty seit den Anschlägen ein beliebtes Objekt von Künstlern wie Werbekampagnen geworden. Zum Posterentwurf Rauschenbergs mag sich Zwirner nur diplomatisch äußern: „Alles, was der Sache zugute kommt, ist auch gutzuheißen.“ Nachdem er für sein „Rauschenberg Overseas Cultural Interchange“-Projekt in den 80er-Jahren mit Lokalkünstlern aus allen möglichen Ländern für ein globales Gesamtkunstwerk kollaborierte, war Rauschenberg zuletzt für die UNO mit großen Auftragsarbeiten für den Weltfrieden beschäftigt. Mit seiner entfremdeten Freiheitsstatue ist er wieder ganz nach Amerika zurückgekehrt. „I love New York“ ist auch bei ihm am unteren Rand des Posters zu lesen.

Das berühmte, auf allen Tüten und Kaffeetassen prangende „I love NY“-Logo wurde ursprünglich 1975 von Designer Milton Glazer unter Verwendung nüchterner Schreibmaschinentypo entworfen. Die Rechte daran besitzt heute der Staat New York. Dem gefiehl es durchaus, dass Glazer seit der Katastrophe vom 11. September dem alten Logo noch die drei solidarischen Worte „more than ever“ hinzufügte. Man stieß sich nur daran, dass er das rote Herz mit schwarzer Farbe überzog, ein Verweis auf die klaffende Wunde, die das World Trade Center im Herzen New Yorks hinterließ. Glazer, der seinen neuen Entwurf Wohltätigkeitsorganisationen kostenlos als PR zur Verfügung stellen wollte, wurde der Vertrieb des veränderten Designs untersagt. „Wir denken, dass das Herz New Yorks größer und stärker geworden ist. Wir wollen kein angeschlagenes Herz sehen“, ließ David M. Catalfamo, Senior Deputy Commissioner für das Empire State Development, unmissverständlich wissen. Dagegen wird Rauschenberg mit dem Satz „I love New York“ unter seinem Poster wohl keine Probleme bekommen. Noch dürfen alle New York urheberrechtlich ungeschützt auf jedwede Art lieben. Ob Rauschenbergs Idee sich mit ähnlichem Erfolg wie seinerzeit Glazers „ I love NY“ ins visuelle Bewusstsein der Stadt einprägt, bleibt bei der recht ungeschickt, fast martialisch wirkenden Komposition des Benefizplakats aber eher zweifelhaft. THOMAS GIRST

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