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eine nadel für die zukunft von RALF SOTSCHECK

Das Weihnachtsgeschenk ist bereits eingewickelt, aber auspacken dürfen die Dubliner es erst Mitte Januar. Die neueste Attraktion der irischen Hauptstadt, eine 120 Meter hohe Stahlnadel, ist vorigen Mittwoch auf der O‘Connell Street errichtet worden – jedenfalls das erste Teilstück. Ursprünglich wollte man es bereits am Freitag zuvor aufstellen, doch dann schaute jemand auf den Kalender: Freitag, der 13.

Da verschob man das Projekt lieber um ein paar Tage.

Darauf kam es schließlich auch nicht mehr an, denn das Kunstwerk ist seit zwei Jahren überfällig. Ursprünglich sollte es die Jahrtausendwende einläuten und „die irische Nation im 21. Jahrhundert“ repräsentieren. Es sei „ein reines Symbol des Optimismus in die Zukunft“, findet der Londoner Architekt Ian Ritchie, der das Kunstwerk entworfen hat. Zyniker meinen, die Nadel symbolisiere eher Dublins Heroinproblem.

Die zweijährige Verspätung ist ebenfalls symbolträchtig, gilt die feste Verabredung doch als eine der größten irischen Lügen. So trifft man sich lieber im Pub, damit sich die Wartenden die Zeit vertreiben können. Und wie groß war das Gelächter, als die Dubliner Busgesellschaft Fahrpläne an alle Haltestellen hängte. Sie hätten beinahe den ersten Platz bei einem Science-Fiction-Wettbewerb gewonnen.

Offiziell heißt die Nadel „Monument des Lichts“. Sie wird sieben Mal höher sein als das benachbarte Hauptpostamt, wo die Vorläufer der IRA 1916 den Osteraufstand anzettelten. Zum 50. Jahrestag der Rebellion sprengte die IRA das Denkmal für den englischen Admiral Nelson in die Luft. An der Stelle wird nun die Stahlnadel errichtet.

Das erste, zwanzig Meter hohe und 42 Tonnen schwere Teilstück, eingewickelt in schwarze Plastikfolie, steht nun. Fünf ebenso hohe Stücke sollen bis Mitte Januar folgen. Mit 120 Metern ist das 4,6 Millionen Euro teure Monument genauso hoch wie der höchste Sendemast des Staatsfernsehens RTÉ, hat aber im Gegensatz zu diesem keine Funktion. Am Sockel hat es drei Meter Durchmesser, an der Spitze nur noch 20 Zentimeter. Bei Wind wird es zweieinhalb Meter hin- und herschwingen.

Der Chefingenieur des Nadelprojekts, Michael O‘Neill, ist der Meinung, dass das Monument „einen phänomenalen Wow-Faktor“ habe. Waufaktor? Sollte die Nadel zur höchsten Hundetoilette der Welt werden? Jedenfalls werde sie die Dubliner Skyline großartig ergänzen, glaubt O‘Neill. Das Kunstwerk wird nicht zu übersehen sein, denn es gibt keine nennenswerten Hochhäuser in der Stadt.

Bono, der Sänger der grässlichen Popkappelle U 2, findet, Dublin könnte ein paar hohe Bauwerke vertragen. Er meint freilich das Hafenviertel, wo das Aufnahmestudio der Band einem gigantischen Bebauungsplan zum Opfer fiel. Im Austausch hat man U 2 ein Penthouse versprochen. Könnte man Bono, der sich zur Rettung der Welt berufen fühlt, nicht stattdessen auf das Monument des Lichts setzen? Er hätte eine gute Aussicht auf die Welt. Und vielleicht wird die IRA ja doch noch mal aktiv.

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