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Archiv-Artikel

ein leben für peter bamm von REINHARD UMBACH

Nach meiner Entlassung aus dem Zivildienst verwaltete ich zur Strafe eine kleine kirchliche bibliothekarische Medienstelle, die ihre Räumlichkeiten mit einer alten Dame teilte, um die ich mich nebenbei ein wenig kümmern sollte.

Dieser Passus meiner Dienstbeschreibung erwies sich aber als Euphemismus. Die Dame war alles andere als schutzbedürftig, sondern äußerst rüstig und von scharfer Aussprache. Kaum war ich da, klopfte es, und sie kam, um mich zu begrüßen. „Aha“, sprach sie, „Sie sind also der Neue! Kennen Sie Peter Bamm?“ – Ich war so verdutzt, dass ich Peter Pan verstand und gleich im Bestandskatalog nachschaute: „Ja, Peter Pan ist da.“ – „Ach was! Ich habe Sie nach Peter Bamm gefragt, junger Mann!“

Wer ist das, bitte schön …? Schon saß ich mitten im Verhör. Ich stotterte mich einer Ahnung entgegen: „Ein … ääh … vielleicht Schriftsteller?“ Ihr ungehaltener Blick signalisierte mir „4 minus“: „Ach was! Nicht ein Schriftsteller, sondern der Schriftsteller! Kennen Sie etwas von Peter Bamm?“ – „Nein“, gab ich kleinlaut zu. „Aha!“, triumphierte sie, „ich habe alles von Peter Bamm gelesen, seinen ‚Alexander‘, seine ‚Frühen Stätten der Christenheit‘, seine ‚Kleine Weltlaterne‘ – alles, einfach alles! Morgen früh lege ich es Ihnen auf Ihren Schreibtisch hier, und dann fangen Sie an zu lesen! Ihr Vorgänger hat sich zwar geweigert, aber das wird er schon noch merken, was es heißt im Leben, sich nicht an Peter Bamm zu orientieren.“

Am nächsten Morgen rückte sie indessen nicht mit den befürchteten Wälzern an, sondern fragte mich nur wieder, ob ich Peter Bamm kenne – und so spulten sich meine Tage undtäglichgrüßtdasmurmeltiermäßig ab. Immer wieder: Peter Bamm, Peter Bamm, Peter Bamm … Im Laufe der Zeit schnappte ich immer mehr Bamm-Sentenzen auf, die ich mir merkte und mich an anderen Tagen, wenn ich sie beiläufig fallen ließ, schon als Peter-Bamm-Experten auswiesen.

Nach einer Woche konnte ich mir ein Leben ohne ihn schon nicht mehr vorstellen. „Bravo, junger Mann, Sie machen Fortschritte!“, wurde mir dann auch bescheinigt, „und denken Sie immer daran, was Peter Bamm den Träumern mit auf den Weg gegeben hat: ‚Angeln ist die einzige Philosophie, von der man satt wird!‘“

Als es auf den Winter zuging, wollte ich meiner Lehrerin damit danken, auch am Wochenende den verschneiten Weg zu unserer gemeinsamen Eingangstür zu streuen. Da ich selber einen Kachelofen hatte, war jede Menge Asche da. Nur an diesem Morgen nicht, sodass ich die Reste der Nachtglut zusammenkratzen musste, um eine Aldi-Plastiktüte halb voll zu bekommen. Damit fuhr ich im morgendlichen Stadtbus zu meiner Medienstelle und war der einzige Fahrgast. Die kurze Fahrzeit reichte aber aus, um die Hitze aus dem Inneren der Asche bis an die Taschenhaut zu leiten. Angekommen hob ich die Tasche an – es machte „plopp“ und „bamm“, und ich hielt nur noch zwei Grifffetzen in der Hand. Der Rest der Tüte legte den Bus in Asche.

Doch flüchtend wusste Bamm auch da mir wieder Rat: „Tätig ist man immer mit einem gewissen Lärm. Wirken geht in der Stille vor sich.“ Das hat sich der junge Mann doch sehr gemerkt.