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dvdeskSie gibt dem Genre, was des Genres ist

Wenn der Drehbuchautor eines düsteren Krimis Jim Hammett heißt und mit dem berühmten Dashiell nicht verwandt ist, dann stimmt vermutlich was nicht. Jim Hammett heißt der Mann, den der Abspann von „Galveston“ als Autor nennt. Tatsächlich verbirgt sich ein anderer dahinter: Nic Pizzolatto, der als Verfasser der Drehbücher zur HBO-Serie „True Detective“ berühmt wurde, bei anderen berüchtigt, nicht alle fanden und finden das recht ungebrochene Verhältnis der Serie zu so ziemlich allen Noir- und Südstaatenklischees überzeugend (das galt schon für die weithin gefeierte erste Staffel, für die zweite und dritte erst recht).

Sehr tief hat Pizzolatto schon in seinem Romandebüt „Galveston“, 2010 erschienen, in diese Kiste gegriffen. Das Buch, nun auch die Verfilmung, erzählt von einem Mann namens Roy Cady (von Ben Foster gespielt), der es an der Lunge hat, sterbenskrank aus seinem Verbrecherleben in New Orleans abhaut und seinen ehemaligen Chef, einen Großkriminellen, erpresst, mit unguten Folgen. Unterwegs in Texas trifft er auf eine junge Prostituierte, Rocky (Elle Fanning), die auf einem Umweg durch die Sümpfe noch ihre kleine Schwester abholt, dabei fällt ein Schuss im Off, zu dritt driften sie durch den Süden, um in einem Motel in der texanischen Hafenstaat Galveston zu landen.

Todkranker harter Mann, der angesichts der Düsternis und in der Nähe des Todes so verletzlich und weich wird, wie er innerlich sowieso ist; die erlösungsbedürftige Prostituierte, das unschuldige Kind: Klischees hoch drei und selbdritt, das weiß man schon aus „True Detective“, dass Pizzolatto in Sachen Figurenzeichnung und Plot keine Gefangenen macht. Roy spricht, wie ebenfalls aus der Serie vertraut, heftigsten Südstaatenslang, Ben Foster presst die verbeulten und verrosteten Wörter aus sich heraus, gesegnet ist, wer Untertitel zur Hand hat. Kompromisse anderer Art gibt es hier übrigens auch nicht. Es ist Verlass darauf, dass alles, wie schlimm es auch ist, noch schlimmer kommt.

Pizzolatto hat sich vom Film nicht ausdrücklich distanziert, fand aber wohl, dass die Regisseurin so viel Eigenes zum Buch dazugetan hat, dass er nur unter Pseudonym auftauchen wollte. Schon dass es eine Regisseurin ist, ist angesichts des traditionell höchst männlichen Hardboiled-, Noir-, Südstaatengenres erstaunlich. Erstaunlicher noch, dass eine Französin mit „Galveston“ ihr US-Debüt dreht, eine Französin, die als Schauspielerin allerdings mit einem amerikanischen Film zu Bekanntheit gelangte: In Quentin Tarantinos „Inglourious Basterds“ war Mélanie Laurent die Kinobesitzerin Shosanna, die im Zuge ihres kinematischen Kampfs gegen die Nazis in Flammen aufging.

Zimperlich ist Laurent als Regisseurin in „Galveston“ nicht. Sie gibt dem Genre, was des Genres ist. Sie verleiht der Düsternis dabei allerdings eine schöne Fluidität, nicht nur aufgrund der langen Roadmovie-Sequenzen, in denen Roy und Rocky in Texas unterwegs sind; viele Einstellungen sind zudem in eher elegante als hektische Handkamerabewegungen aufgelöst. Das ergibt einen schönen Fluss, die Bewegung der Flucht wird durch die Geschmeidigkeit der Kamera eher kontrapunktiert als betont. Erst recht gilt das für Farben und Licht: Warm und feucht sind das Louisiana und Texas des Films, auch und gerade, wenn heftiger Sturm aufkommt.

Und dann setzt Laurent immer wieder auch eine große Ruhe, eine gleißende Schönheit gegen Verfolgung, Mord, Brutalität: Verschnaufen und Hoffnung am fast weißen Strand vor tiefblauem Meer. Natürlich droht da ebenfalls die Gefahr des Klischees, aber in der inneren Sehnsucht des Films nach Ruhe wächst das, was ihn rettet, doch auch. Ekkehard Knörer

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