doppelblind: Hummel oder Tod
Das Insektensterben sorgt nicht nur für Verwerfungen in der Nahrungskette, wenn Vögel, Amphibien und andere Räuber zunehmend weniger Nahrung finden. Viele Pflanzen sind zur Bestäubung auf Insekten wie die Honigbiene oder die Hummel angewiesen. Wenn es weniger Bestäuber gibt, wird die Konkurrenz zwischen verschiedenen Arten und Individuen derselben Art stärker. In der Biologie gibt es zwei Theorien, was diese stärkere Konkurrenz bedeuten könnte.
Viele Pflanzenarten haben sich so entwickelt, dass sie Artgenossen in der Nähe mehr schaden als anderen Arten. Weniger Bestäuber könnten deswegen für weniger Pflanzen, aber nicht unbedingt für weniger Pflanzenarten sorgen und die Bildung von Nischen antreiben. Es könnte aber auch sein, dass Bestäuber häufig vorkommende Pflanzen bevorzugen und deswegen seltene Arten in kleineren Nischen unter dem Insektensterben besonders leiden.
Forscher*innen der ETH Zürich haben die Theorien getestet und ihre Ergebnisse in der Fachzeitschrift Nature veröffentlicht. Die größte Herausforderung ist es, die Effekte der Konkurrenz um Bestäuber und die davon weitgehend unabhängige Konkurrenz um Boden und Licht auseinanderzuhalten. Sie haben Parzellen angelegt, die eine kleine Wiese imitieren soll, und dort je zehn Pflanzen derselben Art und konkurrierende Pflanzen verschiedener Dichte und Spezies eingepflanzt. Einige Pflanzen haben sie von Hand bestäubt, damit sie nur um Boden und Licht konkurrieren, während sie anderen den Insekten – im Fall der fünf untersuchten Pflanzenarten Hummeln und Honigbienen – überlassen haben. Die so gesammelten Daten speisten die Wissenschaftler*innen in ein Modell ein, das die zukünftige Entwicklung der Parzellen prognostiziert.
Bei neun von zehn Speziespaaren sagten die Modelle voraus, dass die Unterschiede in Nischen um 92 Prozent zurückgehen würden. Das bekräftigt die These, dass Bestäuber häufiger vorkommende Pflanzen bevorzugen. Die Forscher*innen konnten jedoch keinen signifikanten Effekt auf die Gesundheit der Pflanzen feststellen: Zwar gab es Parzellen, wo es einer Art viel besser ging als der anderen, genauso gab es aber Pflanzenpaare, die sich gesundheitlich nicht unterschieden.
Ihr Experiment ist ein sehr lokales, geben die Forscher*innen zu, und Bestäuber sammeln über viel größere Räume Pollen. Die gesammelten Daten legen jedoch nahe, dass die lokale Konkurrenz um Bestäuber wichtiger ist als die regionale. Die Wissenschaftler*innen kommen zu dem Schluss, dass eine sinkende Zahl von Bestäubern nicht nur die Populationsgrößen von Pflanzenarten bedroht, sondern auch ihre Vielfalt. Sie schreiben, die Grundlage gelegt zu haben für Studien, die nicht nur den generellen, sondern auch den spezifischen Effekt sterbender Bestäuber auf verschiedene Arten untersuchen. Jonas Waack
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