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Archiv-Artikel

dieter baumann über Laufen Jetzt füllen sich die Wälder wieder

Das Frühjahr ist die Hochsaison der Freizeitläufer. Nur Regelmäßigkeit ist gefragt, dann kommt der gute Stil von allein

Auf welcher Laufrunde auch immer ich in diesen Frühlingstagen unterwegs bin – zu allen Tages- und Nachtzeiten, in allen denkbaren und undenkbaren Kleidungsstücken, überall sind Läuferinnen und Läufer unterwegs. Die einen lächeln selbstzufrieden vor sich hin, die anderen, das bringt die Sportart nun einmal mit sich, schnaufen wild und triefen vor Schweiß. Das Frühjahr ist die Hochsaison der Freizeitläufer.

Dieser Bewegungsdrang gerade jetzt im Frühjahr lässt sich nicht nur mit dem Winterspeck erklären. Denn die Bewegungsunlust der Bevölkerung, zumindest aus läuferischer Sicht, greift schon ab Oktober um sich. Im Januar sehe ich keinen Menschen mehr im Wald, und gerade dann ist doch die beste Zeit, das Weihnachtsfett in Form von umgesetzter Laufenergie wieder loszuwerden. Nein, das Winterspeck-Argument zieht nicht. Aber was kümmert schon die Frage nach dem Warum. Hauptsache, es ist was los im Wald.

Das Allerschönste dabei ist, zu erkennen: Laufen kann jeder, und Sie brauchen weder einen Verein noch einen speziellen Sportplatz. Das Einzige, was Sie benötigen, sind gute Laufschuhe. Eine spezielle technische Begabung ist nicht nötig. Sie setzen einfach ein Bein vor das andere – und fertig.

Jeder läuft, wie er läuft – dies gilt vor allem für die vielen Freizeitläufer, die sich nach langer Winterpause jedes Frühjahr aufs Neue auf den Weg in den Wald machen. Sie sollten mit Ihrem Laufeinstieg vorsichtig sein und Ihrem Körper die nötige Zeit geben, sich wieder an die Belastung zu gewöhnen. Ein optimaler Laufstil ist ganz individuell und deshalb sollten Sie sich hüten, krampfhaft an einer neuen Lauftechnik zu feilen. Die beste Formel zur Verbesserung des Laufstils ist regelmäßiges Laufen. Dann stellt sich ein immer besserer, ganz individueller Laufstil ein. Sie bekommen tatsächlich den Eindruck, nur so durch den Wald „zu fliegen“.

Fünf Monate im Sommer mit anschließender Winterpause ist übrigens nicht regelmäßig. Die Gründe – „Es ist mir zu kalt“, „Es ist zu dunkel“ – erklären nicht, warum Sie im Oktober nicht mehr laufen.

Gerade wenn Sie immer wieder neu einsteigen, sollten Sie Ihr natürliches Dämpfungssystem voll nutzen. Bei einer langsamen Laufgeschwindigkeit berühren Sie mit der Außenkante der Ferse zuerst den Boden. Die Ferse dämpft in diesem Moment das Zwei- bis Dreifache Ihres Körpergewichtes ab. In der Vorwärtsbewegung verschiebt sich Ihr Gewicht schnell auf den Mittelfuß. Hier versucht der Körper Stabilität zu finden. Durch ein natürliches „Einknicken“ im Fußgewölbe, die Fachleute sprechen von einer natürlichen Pronation, fängt Ihr Fuß das Gewicht ab. Hat er einen sicheren Stand erreicht, beginnt die Abdrückphase. Durch die Vorwärtsbewegung verschiebt sich auch der Körperschwerpunkt in Sekundenschnelle von der Höhe des Mittelfußes auf die des Vorfußes. Sie drücken sich mit allen fünf Zehen vom Boden ab, den letzten Bodenkontakt hat in der Regel die Großzehe.

Aber Sie laufen nicht nur mit Füßen und Beinen. Auch wenn es manchmal aus der Perspektive des Fernsehsessels so aussieht, als ob manche schnelle Laufspezies unserer Art – zumeist aus Afrika stammend – ihre Arme beim Vorwärtsschwingen kreisförmig vor dem Körper führen, so ist das nur eine individuelle Ausprägung des Laufstils. Es hat nichts mit einer besonderen Lockerheit oder gar mit der Theorie eines besseren Laktatabbaus durch Rotationskräfte im Körper zu tun: Meist entpuppt sich eine bestimmte Handhaltung oder Armführung als Bestandteil einer langen Laufentwicklung. Oft eilten afrikanische Läufer in ihrer Kindheit zu Fuß in die Schule. Sie trugen die Schultasche unter dem einen Arm, der andere schwang bei jedem Schritt mit einer leichten kreisförmigen Bewegung vor dem Körper. Somit wird das Gewicht der Tasche kompensiert und das Gleichgewicht besser gehalten. Kein Grund für Sie, diesen Laufstil unbedingt nachmachen zu wollen, es sei denn, Sie laufen mit der Aktenmappe zum nächsten Kundentermin.

Achten Sie aber darauf, dass Ihre Arme im Ellbogengelenk locker mit etwa 90 Grad angewinkelt sind. Ihre Arme schwingen gegengleich zu Ihrem Laufschritt mit. Versuchen Sie, die Arme parallel zu halten; mit einer geballten Faust läuft es sich nicht locker und entspannt.

Das eigentliche Rezept für entspanntes Laufen ist allerdings die körperliche Fitness. Regelmäßiges Laufen sollte weit über den Oktober hinausgehen. Damit werden Sie sicher nicht wie der 800-Meter-Weltrekordhalter Wilson Kipketer durch den Wald sprinten, aber Ihr Laufgefühl wird ganz automatisch besser. Und Ihr Laufstil auch.

Fragen zu Laufen?kolumne@taz.de