die wahrheit: Die Bismarcks - Immer gut für einen Rausch
Stoff ist immer im Spiel, wenn es um Wichtiges geht. Aber längst nicht immer derselbe, wie jene meinen, die Geld für "das Brecheisen der Macht" (Nietzsche) oder Frauen für...
Stoff ist immer im Spiel, wenn es um Wichtiges geht. Aber längst nicht immer derselbe, wie jene meinen, die Geld für "das Brecheisen der Macht" (Nietzsche) oder Frauen für die tatsächlich Regierenden (Frank Schirrmacher) halten. Otto von Bismarck (1815-1898) - der Reichsgründer - hielt es weder mit Geld noch mit Frauen. Er stand auf "Blut und Eisen". Damit kriegte er sein Land in drei Feldzügen zwischen 1864 und 1871 buchstäblich zusammen, galt fortan als germanischer Recke und erhielt sein Denkmal hoch über dem Rhein bei Rüdesheim.
Privat ist dem Reichskanzler das Kriegführen nicht so gut bekommen. Er litt unter chronischer Schlaflosigkeit und dagegen halfen "Blut und Eisen" nicht. Er stieg deshalb aus und auf Opium- und Morphiumhaltiges um. Die relativ kleinen Dosen - er musste ja nebenbei noch regieren - beseitigten die Schlaflosigkeit nicht. Der schwer depressive Hypochonder wandte sich zusätzlich dem Essen, Trinken und Rauchen zu. "Gegessen wird hier nach wie vor, dass die Wände krachen", meinte ein mit den Bräuchen Vertrauter. Andere Zeitgenossen berichten von wahren Fressorgien. Zum Frühstück gab es Roastbeef mit Kartoffeln, kalten Wildbraten, Wachholderdrosseln und aufgebratenen Pudding.
Abends verschlang Bismarck in der Regel ein Menü mit sechs Gängen und gegen Mitternacht überkam in regelmäßig der Hunger, bevor er zu seinem Schlafstoff griff. Die Nebenwirkung wurde schnell sichtbar - als gut 60-Jähriger wog er 123,5 Kilo.
Regieren, dass wissen wir auch von Gerhard Schröder, macht erst richtig Spaß mit exquisitem Stoff. Bismarck genehmigte sich zum Mittagessen zwei Flaschen Champagner, und abends soff er zeitweise bis zu sechs Flaschen Rotwein. Der Absacker bestand aus Jamaikarum, Champagner und Portwein. Mit dem Regieren begann Bismarck deshalb verständlicherweise oft erst am frühen Nachmittag. Und nach zwei Stunden bekam er richtig Hunger. Als es ihm schlechter ging, kam er zur weisen Einsicht: "Mehr als hunderttausend Zigarren und zehntausend Flaschen Champagner kann der Mensch in seinem Leben nicht gut ertragen."
Bismarcks Ururenkel Gottfried wurde 1963 geboren und liebte andere Stoffe als sein Ururgroßvater. Gottfried mochte den harten Stoff: Heroin. Und den teilte er sich gern mit Freunden und Gespielinnen. 1986 erwachte er eines morgens im feinen Londoner Stadtteil Chelsea und neben ihm lag Olivia Channon, die 22-jährige Tochter des Industrieministers, tot im Bett. Kriminaltechnischer Befund: Überdosis. Im August des vergangenen Jahres verließ der vollgepumpte Anthony Casey eine rauschende Party in Bismarcks Wohnung über den Balkon und stürzte in den Tod. Am 2. Juli nun wurde Gottfried in seiner Wohnung mit einer Überdosis Heroin intus tot aufgefunden.
Ein Fluch der Götter über dem Titanen-Geschlecht der Bismarcks? Mitnichten. Hier war der Fortschritt persönlich am Werk. Während der Ururgroßvater noch hauptsächlich mit dem Bekriegen und Regieren anderer beschäftigt war, wenn er nicht gerade Hunger und Durst hatte, richtete der Ururenkel die Nadel nur noch gegen sich selbst. Ein netter Zug des Sprösslings.
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