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die wahrheitDas geheime Streikdossier der Bahn

Kommentar von Reinhard Umbach

Es geschah beim nächtlichen Rucksackentrümpeln auf dem Hauptbahnhof von Straßburg. Aus dem Mülleimer, in den ich gerade eine Flasche entsorgen wollte ...

Mülleimer am Bahnhof. Bild: ap

.. leuchtete ein Weißbuch mit den Initialen der DB. Drunter stand "Zusammenstellung der vorübergehenden Langsamfahrstellen und anderen Besonderheiten - La-Bereich Süd, 30 Ausgabe 2007". Und was beim Blättern in den Vorbemerkungen noch neugieriger machte, war der Satz: "Die hierin enthaltenen Angaben sind

Die nächsten Seiten wiesen unzählige Piktogramme in nie da gewesener Unverständlichkeit und Kryptografie auf. Sie standen für rätselhafte Dinge wie "durchgehendes Hauptgleis", "Bügel ab erwarten", "Signal ungültig oder abgebaut", "Fahren auf dem Gegengleis mit Hauptsignal und Signal Zs 6 oder Zs 7 (DV 301) vorübergehend angeordnet und mit Befehl - Ende". Und wieder deutete der Fettdruck an, dass es hier ums Ganze ging. Es war offenbar der Marschbefehl an alle Lokführer für den Fall, dass verbeamtete Lokführer auf dem Gegengleis vom Heereskommando Mehdorn als Streikbrecher verheizt würden.

Aber der Blick ins Innere der Kampfschrift wies weitaus mehr Gefahren auf als nur den ehrlichen Kampf Lok gegen Lok. Besonders erschütternd zeigte sich die Lage auf der Strecke "Nürnberg - Probstzella", wo zwischen Eggolsheim und Lichtenfels auch nicht eine Brücke mit Geländer ausgestattet ist. Überall warnte das schlimmste Schild von allen vor "Absturzgefahr". Bei Mering übrigens mit dem direkten Hinweis auf die darunter liegende Baugrube.

Zwischen Eichstätt und Solnhofen erwies sich das Geländer als "zu niedrig"; in Triesdorf war die "Bahnsteignutzlänge verkürzt"; und am Haltepunkt Dollstein musste jeder Lokführer "bei Zügen im Gleis 1 Abfahrbereitschaft auf beiden Seiten feststellen; ausgenommen bei Fahrzeugen mit wirksamer seitenselektiver Türsteuerung". Aber wie leicht ist das vergessen in der Hitze der Streikschlacht.

Da kann es also nicht erstaunen, dass diese Geheimauflistung dem Bahnreisenden vorenthalten wird. Selbst Bahnchef Hartmut Mehdorn wird in seinem bonsaibaumumrankten Berliner Hauptquartier von der großen Gefahrenwelt da draußen keine Ahnung haben. Denn nach dem Gelesenen grenzt es an ein Wunder, dass es nicht stündlich zu Triebwagenkollisionen kommt - und zu Fahrgastverlusten auf geländerlosen unausgeschilderten Bahnsteigen vor unabgedeckten Viadukten oberhalb abschüssiger Baugruben mit Ölschiefergrund.

Aber vielleicht ist es gerade dieses Wissen um den wahren Zustand deutscher Gleise, das die Lokführer so sicher macht, bei dem gegenwärtigen Tarifkonflikt am längeren Hebel zu sitzen. Denn auf offener Strecke hält diesen Hebel auch keine Notbremse mehr auf. Das Piktogramm dafür zeigt eine durchgestrichene römische Eins auf schwarzem, rundem Grund. Und es steht für "Oberstrombegrenzung - Ende".

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