die wahrheit: "Ist Osnabrück jetzt Legoland?"
Tumulte um weiche Birne im Hansestädtchen - Angesägter OB-Stuhl wackelt.
Der Skandal um den 280.000 Euro teuren Versuch der Stadt Osnabrück, sich als "Weltstädtchen" mit "Capitölchen", "Canal Grändchen" und "Brandenburger Törchen" zu verkaufen (siehe Die Wahrheit vom 14. 8. 07), zieht immer weitere Kreise. Distanziert haben sich inzwischen auch eingefleischte Anhänger des VfL Osnabrück von der Kampagne: "Bringt es Imagegewinne, wenn der Löwenpudel jetzt als 'Sphinxchen' beworben wird? Und wenn aus dem VfL-Stadion ein 'Hexenkesselchen' wird?" Im Webforum vflog.blogspot.com hat sich ein kluger Mann namens Martin Zierold dagegen verwahrt, "im Hexenkesselchen Fangesängchen hören" zu müssen, "während das Stürmchen ein Schüsschen aufs Törchen abgibt. Ist Osnabrück jetzt Legoland?"
Eher wohl Schlumpfhausen. Der Presseamtschef Sven Jürgensen macht vorläufig noch gute Miene zum verkorksten Spiel, und auch der verantwortliche Werbeagenturchef Martin Hagenhoff schützt Gelassenheit vor. "Das Ding ist im Gespräch", hat er gesagt. "Und damit haben wir unser Ziel erreicht." Das stimmt, wenn es das Ziel gewesen ist, eine ganze Stadt zum Gespött zu machen.
Im Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung hat es sich der gefährlich ins Schlingern geratene und nun sehr schwer an seiner Verantwortung für den Humbug tragende Osnabrücker Oberbürgermeister Boris Pistorius verbeten, als "Oberbürgermeisterchen" angesprochen zu werden: Das sei "jetzt schon nicht mehr sehr originell".
Er hält es für origineller, die Osnabrücker SPD-Bezirksparteizentrale in "Willy-Brandt-Häuschen" umzubenennen. Und überhaupt: Die Hälfte der Kosten für den Werbefeldzug sei von Unternehmern aus der Stadt aufgebracht worden.
"Ganz schön blödchen", kann man da nur sagen. Die in Osnabrück ansässigen Hersteller von Aufklebern mit diesem Slogan haben leider ohne finanzielle Unterstützung lokalpatriotischer Mäzene zu Werke gehen müssen. Als Kandidat für den Posten des Oberbürgermeisters hatte Pistorius seine hochgesteckten Ziele nur angedeutet: "Ich stelle mir eine Stadt vor, die von Offenheit, Toleranz und Vielfalt geprägt ist. Und eine Stadt, in der wir miteinander im Gespräch bleiben, um immer wieder zu lernen, wo der Schuh drückt." Da konnte noch niemand ahnen, daß Pistorius vorhatte, sich im Amt des Oberbürgermeisters selbst als Schuster schmerzhaft drückender Galoschen zu etablieren.
Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch. "Für Pistorius kommt es knüppeldick", berichtete die Neue Osnabrücker Zeitung und griff ein Zitat aus der taz-Wahrheitseite auf: "Der weichste Standortfaktor einer Stadt ist immer die Birne ihres Oberbürgermeisters." Damit aber, meldete die NOZ, habe es "der Autor als Einziger geschafft, sich bei der Osnabrücker Stadtspitze unbeliebt zu machen. Denn auf alle anderen Veröffentlichungen sind Pistorius und Jürgensen mächtig stolz, weil sie doch der Sache dienen - die Aufmerksamkeit auf Osnabrück zu lenken." Statt auf den weichen Keks des Oberbürgermeisters, der nun erst so richtig durchstarten möchte mit seiner grauenhaft infantilen Weltstädtchenreklame. Sauberer als von der Agentur Hagenhoff + Graef wäre er von Donald Duck und Erika Fuchs bedient worden: "Wer keine weiche Birne hat, kauft harte Äpfel aus Halberstadt!"
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