die wahrheit: razzia bei der putztruppe
"Ein merkwürdiges Gebäude", meinte Henry, während er sich weit aus dem Fenster der Wohnung in Edinburgh hinauslehnte und an seinem Joint nuckelte. "Es hat so viele Antennen."
Ralf Sotscheck, 53, berichtet seit 22 Jahren für die taz aus Dublin.
"Ein merkwürdiges Gebäude", meinte Henry, während er sich weit aus dem Fenster der Wohnung in Edinburgh hinauslehnte und an seinem Joint nuckelte. "Es hat so viele Antennen." Es sei das Hauptquartier der schottischen Polizei, die mit ihren Richtmikrofonen und Nachtsichtgeräten die Umgebung überwache, erklärte Billy, der sich die Wohnung mit drei anderen Exil-Iren teilte. Henry schloss sicherheitshalber das Fenster.
Am nächsten Vormittag befand Joe, der Hauptmieter, dass nach der Party ein Großputz der Wohnung anstehe. Er legte vier Zettel mit den Stichworten "Wohnzimmer", "Flur", "Bad" und "Küche" in einen Hut. Wer die Küche ziehe, zweifellos die schwierigste Aufgabe, müsse auch das Mittagessen kochen. Er zog den Horrorzettel selbst und begann, Fischstäbchen zu braten.
Die anderen verbrannten die Überreste der Party im Kamin und widmeten sich dann den ihnen zugelosten Aufgaben. Billy hatte das leichteste Los gezogen, er musste den Flur reinigen. Weil er als Erster fertig war, begann er einen Brief an seine Mutter. "Liebe Mutter, ich habe mich lange nicht bei dir gemeldet", hatte er gerade geschrieben, als es an der Tür klingelte. "Aufmachen, Drogenfahndung", tönte es aus der Gegensprechanlage. "Henry", fragte Billy, "bist du das? Du willst uns wohl verarschen." Im nächsten Moment wurde die Tür aufgetreten, das Schloss splitterte. Die Beamten durchsuchten alles. Nur Seán bekam davon nichts mit. Er hatte sich seinen Kopfhörer aufgesetzt und hörte Heavy Metal, während er das Wohnzimmer saugte.
Die Drogenfahnder fanden nichts. Die Konterbande war im Kamin verbrannt worden. "Fünf junge Iren", sinnierte der Einsatzleiter. "Wir wissen, das sie Drogen nehmen. Und was finden wir? Einer saugt Staub, der andere putzt die Toilette, der Dritte brät Fischstäbchen, und der Vierte schreibt einen Brief an seine Mutter. Die Jungs müssen einen Tipp bekommen haben."
Dann fand er doch noch etwas: eine Kartoffel auf dem Kaminsims, in die Löcher gebohrt waren. "Wir haben ein Beweismittel", rief er. "Mit dieser Kartoffel wurde eindeutig Haschisch geraucht." Billy sah den Beamten mitleidig an. "Wollen Sie wirklich mit dieser Kartoffel vor einen Richter treten", fragte er, "und ihm erklären, dass Sie uns des Drogenmissbrauchs überführt haben?" Der Einsatzleiter schaute traurig, legte die Kartoffel zurück auf den Kaminsims und blies zum Rückzug. Doch Joe stellte sich den Beamten in den Weg. "Moment mal", meinte er, "wer repariert uns die demolierte Tür?"
Widerwillig schickte der Ober- den Unterbeamten zum Polizeiauto, um Werkzeug zu holen. Eine halbe Stunde später war das Schloss repariert. Joe prüfte die Arbeit fachmännisch und gestattete den Polizisten gönnerhaft, nach Hause zu gehen. Er werde von einer Anzeige absehen.
Kurz darauf klingelte es erneut. Wollten die Beamten die Kartoffel nun doch mitnehmen? Es war Billys Freundin. "Die Jungs, die mir gerade im Treppenhaus begegnet sind, sahen aus, als ob sie von der Drogenfahndung seien." Das waren sie auch, bestätigte Billy. "Gut, dass ich nicht ein paar Minuten früher gekommen bin", sagte sie und zog ein Päckchen Stanniolpapier aus der Tasche.
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