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die wahrheitJungle-Sben mit Blumenkohl

Kommentar von Jörg Schneider

Beim Durchblättern eines Veranstaltungsmagazins ist mir ein überaus fragwürdiger Verleser gelungen..

Beim Durchblättern eines Veranstaltungsmagazins ist mir ein überaus fragwürdiger Verleser gelungen, der mir einerseits meine mangelnde Fähigkeit im Querlesen zeigte und andererseits einmal mehr eine üble Unsitte vor Augen zerrte, deren genaueren Sinn ich schon seit Jahren zu verstehen versuche, doch selbst heute noch nicht annähernd zu durchschauen vermag. Aber eines nach dem anderen.

Was zum Teufel sind "Sben"?, fragte ich mich also anlässlich des bereits angekündigten Verlesers. Was sind "Sben", und was haben haben die im Dschungel zu suchen? Denn mir schien sofort klar, dass sich die Bezeichnung "Jungle" nur auf eine Art Urwald-Funsport-Anglizismus beziehen konnte. Im Klartext stand folgendes geschrieben: "19 Uhr Frauen Archiv, ASTA, jeden 1. und 3. Sonntag im Monat: Treffen der Junglesbengruppe." Ratlos blickte ich auf das Gedruckte, bis mir nach einigen Sekunden die Lösung des Rätsel gewahr und damit zugleich ein weiteres unsägliches Mal die komplette Irrsinnigkeit sexuell motivierter Veranstaltungsausgrenzungen bewusst wurde.

Zwar sollen bei einem explizit als Treffen junger Lesben angekündigten Abend die Damen selbstverständlich unter sich bleiben, aber ein Blick auf die weiteren Veranstaltungen ließ mich dann doch am eigentlichen Sinn und Zweck von derlei geistig Daheimgebliebenen zweifeln. Es wurden unter anderem angekündigt: "Frauen für den Frieden", "Rudern für Schwule", ein "Jongliertreffen für junge Lesben" und ein "Beratungsangebot für belästigte Frauen / Lesben und Mädchen". Wobei wir bei letzterem Angebot wieder bei der eingangs erwähnten Unsitte wären: Sind Lesben denn bitteschön keine Frauen? Ist tatsächlich die sexuelle Orientierung beim Belästigtwerden ausschlaggebend? Oder ist es nicht vielmehr allgemein scheiße, belästigt zu werden? Und warum gehen manche Menschen mit ihrer gleichgeschlechtlichen Orientierung so hemmungslos kokett hausieren?

Ist es denn zwingend notwendig, dass man auf Feiern mit folgendem Satz angesprochen wird: "Hallo, du, ich bin die Britta, und ich bin Lesbe." Was soll das? Wen interessiert das? Sind damit die persönlichen Informationen für eine lose Kontaktaufnahme bereits erschöpft? Und was soll man antworten? "Hallo Britta, du, ich bin der Jörg, und ich hasse Blumenkohl." Was für die Gesprächspartnerin vom Informationsgehalt her genauso prickelnd ist. Ist es also überhaupt nötig, Wildfremden seine sexuellen Präferenzen ebenso unaufgefordert wie distanzlos auf einem Silbertablett zu präsentieren? Und warum überhaupt sollen Schwule anders rudern als heterosexuelle Männer? Beim Rudern rudern doch alle andersrum.

Sind Frauen tatsächlich anders für den Frieden als Männer? Weshalb dürfen Männer und Frauen nicht gemeinsam malen? Und warum zur Hölle dürfen keine mittelalten heterosexuellen Frauen jonglieren, wo sie wollen? Ich weiß es nicht, und ich habe auch keinerlei Ehrgeiz es herauszufinden. Schließlich habe selbst ich anderes zu tun - gilt es doch, mich auf meine neu gegründete Gruppe "Biertrinken für Blumenkohlhasser gegen sinnlose Gewalt" zu konzentrieren. Selbstverständlich nur für Frauen.

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7 Kommentare

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  • JS
    Jörg Schneider

    ....au weia.

  • I
    Ich

    Hmmm, also ist es auch okay wenn sich Studentenverbindungen oder Burschenschaften ihre frauenfreien Freiräume schaffen und sich auf das gemeinsame Interesse Biersaufen und konservativ sein konzentrieren. Dem gegenüber darf man dann aber nicht in ein Fem. Archiv. ...

  • H
    haatee

    Hallo,

     

    erst mal eine Frage an Andastre: gucken Homosexuelle keine Pornos??? Das wär mir aber neu!

     

    Zum Artikel: ich finde schon, dass man sich wohl abgrenzen kann und soll, schließlich heißt der Männergesangsverein auch Männergesangsverein und ich kenne auch keine Kontaktanzeige in der steht: "suche irgendwen". Allerdings bin ich auch noch nie mit "Hallo ich bin X und lesbisch" begrüßt worden, das ist mir echt scheißegal, welche Gesinnung eine® da hat und ich finde auch, dass das etwas ist, was keinen was angeht. Damit hausieren gehen ist eine Sache, aber wenn man sich mit Gleichgesinnten treffen will, dann halte ich Anzeigen wie "Junglesben treffen sich" für absolut angebracht. Den Heteromann will ich sehen, der sich aus Versehen auf ne Gay-Party verirrt, nur weil es nicht ausgewiesen war! Wetten, dass Herr Schneider das nicht witzig fände??

  • A
    Andastre

    Mal abgesehen davon, dass Männer und Frauen überall zur Genüge die Möglichkeit haben, gemeinsam Blumenkohl zu essen oder zu jonglieren, hab ich es wirklich satt, immer dieses Ausgrenzungsgeschrei zu hören.

     

    Freiräume darf haben, welche Freiräume haben möchte und braucht, ob das nun irgendjemandem passt oder nicht.

     

    Wir stürmen auch nicht Männerstammtische/-abende oder sonstiges - wozu auch? Mich persönlich interessiert es nicht, was dort gemacht wird und fühle mich absolut nicht ausgegrenzt.

     

    Wenn Sie, Herr Schneider, es geschafft haben, Gewalt gegen Frauen aus dem Wege zu schaffen (Morde/Vergewaltigungen, Gangbang, sexuelle Belästigung, Pornos), den Frauen den Zugang gleichberechtigt bei gleicher Bezahlung in allen Positionen verschafft haben, Randgruppen integriert sowie die Gewalt gegenüber Lesben ausgemerzt haben ... kurz gesagt, die Welt kein frauenverachtendes Patriarchat mehr ist, dann können wir nochmal über dieses Thema diskutieren.

     

    Aber es wird dann nicht mehr zu solch einer Diskussion kommen, weil selbst Sie vielleicht! bis dahin kapiert haben, dass JEDE/R das Recht auf Freiräume hat, ohne das respektlose Eindringen Unerwünschter (Männer).

     

    Nur so kann es funktionieren und nicht anders.

  • A
    Andastre

    Mal abgesehen davon, dass Männer und Frauen überall zur Genüge die Möglichkeit haben, gemeinsam Blumenkohl zu essen oder zu jonglieren, hab ich es wirklich satt, immer dieses Ausgrenzungsgeschrei zu hören.

     

    Freiräume darf haben, welche/r Freiräume haben möchte und dort wo es angebracht ist.

     

    Wir stürmen auch nicht Männerstammtische/-abende oder sonstiges - wozu auch? Mich persönlich interessiert es nicht, was dort gemauschelt und welchen hobbies nachgegangen wird, sofern es keiner schadet.

     

    Wenn Sie, Herr Schneider, es geschafft haben, Gewalt gegen Frauen aus dem Wege zu schaffen (Morde/Vergewaltigungen, Gangbang, sexuelle Belästigung, Pornos), den Frauen den Zugang gleichberechtigt bei gleicher Bezahlung in allen Positionen verschafft haben, Randgruppen integriert sowie die Gewalt gegenüber Lesben ausgemerzt haben ... kurz gesagt, die Welt kein frauenverachtendes Patriarchat mehr ist, dann können wir nochmal über dieses Thema diskutieren.

     

    Aber es wird dann nicht mehr zu solch einer Diskussion kommen, weil vielleicht! auch Sie bis dato kapiert haben, dass JEDE/R das Recht auf Freiräume hat, ohne das respektlose Eindringen Unerwünschter (Männer).

     

    Nur so kann es funktionieren und nicht anders.

  • SH
    Simone Heyder

    Da erlaube ich mir doch als Lesbe (hups, wie unangemessen von mir, die LeserInnen mit meiner sexuellen Orientierung zu belästigen!) das so zu kommentieren: Blöder Hetero!

    Natürlich könnte ich jetzt mit wissenschaftlichen Argumenten weitermachen, vonwegen: Minderheitenpolitik, Identitäten in der postmodernen Gesellschaft usw.

    Aber ich weiß ja, dass weiße, bürgerliche Hetero-Männer ihre gesellschaftliche Position nicht gerne hinterfragen.

  • V
    VogelBeo

    Ich nehme mal an, die Junglesben wollen sich kennenlernen, Frauen mit ähnlichen Interessen und vielleicht eine Partnerin. Dafür ist die Uni ja schließlich auch da. Ob dabei politisiert oder jongliert wird, steht ihnen doch frei. Du erinnerst mich an die Arbeiterjungs aus den Siebzigerjahren, die über Diskriminierung jammerten, weil sie nicht in Frauenbuchläden durften.