die wahrheit: Jungle-Sben mit Blumenkohl
Beim Durchblättern eines Veranstaltungsmagazins ist mir ein überaus fragwürdiger Verleser gelungen..
Beim Durchblättern eines Veranstaltungsmagazins ist mir ein überaus fragwürdiger Verleser gelungen, der mir einerseits meine mangelnde Fähigkeit im Querlesen zeigte und andererseits einmal mehr eine üble Unsitte vor Augen zerrte, deren genaueren Sinn ich schon seit Jahren zu verstehen versuche, doch selbst heute noch nicht annähernd zu durchschauen vermag. Aber eines nach dem anderen.
Was zum Teufel sind "Sben"?, fragte ich mich also anlässlich des bereits angekündigten Verlesers. Was sind "Sben", und was haben haben die im Dschungel zu suchen? Denn mir schien sofort klar, dass sich die Bezeichnung "Jungle" nur auf eine Art Urwald-Funsport-Anglizismus beziehen konnte. Im Klartext stand folgendes geschrieben: "19 Uhr Frauen Archiv, ASTA, jeden 1. und 3. Sonntag im Monat: Treffen der Junglesbengruppe." Ratlos blickte ich auf das Gedruckte, bis mir nach einigen Sekunden die Lösung des Rätsel gewahr und damit zugleich ein weiteres unsägliches Mal die komplette Irrsinnigkeit sexuell motivierter Veranstaltungsausgrenzungen bewusst wurde.
Zwar sollen bei einem explizit als Treffen junger Lesben angekündigten Abend die Damen selbstverständlich unter sich bleiben, aber ein Blick auf die weiteren Veranstaltungen ließ mich dann doch am eigentlichen Sinn und Zweck von derlei geistig Daheimgebliebenen zweifeln. Es wurden unter anderem angekündigt: "Frauen für den Frieden", "Rudern für Schwule", ein "Jongliertreffen für junge Lesben" und ein "Beratungsangebot für belästigte Frauen / Lesben und Mädchen". Wobei wir bei letzterem Angebot wieder bei der eingangs erwähnten Unsitte wären: Sind Lesben denn bitteschön keine Frauen? Ist tatsächlich die sexuelle Orientierung beim Belästigtwerden ausschlaggebend? Oder ist es nicht vielmehr allgemein scheiße, belästigt zu werden? Und warum gehen manche Menschen mit ihrer gleichgeschlechtlichen Orientierung so hemmungslos kokett hausieren?
Ist es denn zwingend notwendig, dass man auf Feiern mit folgendem Satz angesprochen wird: "Hallo, du, ich bin die Britta, und ich bin Lesbe." Was soll das? Wen interessiert das? Sind damit die persönlichen Informationen für eine lose Kontaktaufnahme bereits erschöpft? Und was soll man antworten? "Hallo Britta, du, ich bin der Jörg, und ich hasse Blumenkohl." Was für die Gesprächspartnerin vom Informationsgehalt her genauso prickelnd ist. Ist es also überhaupt nötig, Wildfremden seine sexuellen Präferenzen ebenso unaufgefordert wie distanzlos auf einem Silbertablett zu präsentieren? Und warum überhaupt sollen Schwule anders rudern als heterosexuelle Männer? Beim Rudern rudern doch alle andersrum.
Sind Frauen tatsächlich anders für den Frieden als Männer? Weshalb dürfen Männer und Frauen nicht gemeinsam malen? Und warum zur Hölle dürfen keine mittelalten heterosexuellen Frauen jonglieren, wo sie wollen? Ich weiß es nicht, und ich habe auch keinerlei Ehrgeiz es herauszufinden. Schließlich habe selbst ich anderes zu tun - gilt es doch, mich auf meine neu gegründete Gruppe "Biertrinken für Blumenkohlhasser gegen sinnlose Gewalt" zu konzentrieren. Selbstverständlich nur für Frauen.
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