die wahrheit: Der große Rennschwindel
Der Mogul von Westminster wettet mit seinen reichen Freunden um eine bedeutende Summe, dass er beim Pferderennen jeden beliebigen Favoriten siegen lassen kann...
Der Mogul von Westminster wettet mit seinen reichen Freunden um eine bedeutende Summe, dass er beim Pferderennen jeden beliebigen Favoriten siegen lassen kann, und sei es ein kleines Mädchen auf einem Holzpferd mit Rädern. Das scheint nun wirklich ausgeschlossen, und die Freunde freuen sich schon auf ihren Wettgewinn. Insgeheim halten sie den Mogul von Westminster für völlig verrückt. Doch sie unterschätzen ihn, denn niemals hätte er sich auf so etwas eingelassen, ohne einen guten Plan zu haben.
Zu dessen Durchführung engagiert er einen rothaarig schnauzbärtigen Saboteur mit übernatürlichen Verbindungen und lässt ihn vor dem Rennen einen hohen Geldbetrag auf das Holzpferd setzen, das tatsächlich als Teilnehmer zugelassen worden ist. Sodann instruiert der Mogul seinen sehr jungen weiblichen Jockey. Er schärft dem unbedarften Kind ein, es müsse der kranken Oma ein Fresspaket bringen und deshalb unbedingt das Ziel erreichen.
Beim Start geschieht dann nichts, das nicht vorauszusehen gewesen wäre. Sämtliche Pferde preschen davon, hoffnungslos bleibt die Holzpferd-Reiterin zurück. Das Fresspaket auf dem Schoß festhaltend, müht sie sich ab, das künstliche Tier durch emsige Beinarbeit vorwärtszubewegen. Dies gelingt auch, geht aber sehr langsam vor sich, vom zahlreichen Publikum mit hämischem Jubel bedacht. Am Verstand des Moguls von Westminster wird in Rennkreisen ganz allgemein gezweifelt.
Doch nun tritt der gedungene Saboteur auf den Plan. An einem sabotagegünstigen Streckenabschnitt schickt er nur für Pferde wahrnehmbare Kleinradfahrer auf die Rennbahn, wo sie sogleich ein großes Feuerwerk abbrennen. Das ausschließlich pferdewirksame Knallen und Blitzen sorgt dafür, dass sämtliche Rösser scheuen, ihre Reiter abwerfen und aus dem Rennen ausscheiden. Das Publikum ist bestürzt. Allein die Kleine auf dem Spielzeug-Gaul bleibt im Rennen und setzt unbeirrbar ihren Weg fort. Zur kranken Oma, wie sie glaubt. Nach einer guten Stunde kommt sie als Siegerin am Ziel an. Die Oma sei wieder gesund, teilt der Mogul von Westminster ihr mit, als er sie in Empfang nimmt.
Er hat sehr viel Geld gewonnen. Ans Teilen denkt der alte Halunke jedoch nicht. Das treudoofe Mädchen schickt er mit dem Fresspaket nach Hause. Seines gedungenen Helfers, welchen als unliebsamen Mitwisser zu betrachten er immerhin Anlass hat, entledigt er sich mittels einer List: Unter den Kleinradfahrern verbreitet er auf raffinierte Weise das Gerücht, der Saboteur wolle mit ihrem Anteil davonreiten. Das erbost sie. Durch neuerlichen Einsatz ihres erprobten Feuerwerks erschrecken sie das Pferd des zu Unrecht Verdächtigten, so dass dieser aus dem Sattel geschleudert wird und beim Aufprall ein Gehirntrauma erleidet.
Der Mogul von Westminster braucht nun nicht mehr zu befürchten, dass sein Schwindel auffliegt, denn der Saboteur erinnert sich an überhaupt nichts, und die Kleinradfahrer sind eigentlich sowieso nur für Pferde wahrnehmbar. Letztere meidet der Mogul künftig. Ab sofort arbeitet er mit einem metaphysischen Kaninchen zusammen, das nur auf Windhunde wirkt.
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